Bildung:Spielen, Lernen, Wursten

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Bei ihrem Besuch in der Berufsschule für das Metzgereihandwerk erfahren die Erstklässler der Grundschule an der Bazeillesstraße, wie Fleisch verarbeitet wird und was gesunde Ernährung wirklich bedeutet. Von dem Projekt profitieren auch die Auszubildenden

Von Fridolin Skala

Fingerdick quillt der Fleischteig aus der Presse in den meterlangen Naturdarm. Die Riesenwurst windet sich aus der Hand von Metzgermeister Armin Bloch auf den glänzenden Edelstahltisch und bleibt schließlich reglos vor den 25 Erstklässlern liegen. Ein Junge verzieht skeptisch und mit Abscheu im Blick den Mund, doch der Rest der Klasse schaut gebannt zu und jubelt begeistert, als klar wird, dass sie helfen dürfen, die Riesenwurst in kleine Bratwürste zu unterteilen. Der Reihe nach machen sich die Jungen und Mädchen daran, die zehn Zentimeter langen Stücke zu drehen − die einen mit spitzen Fingern, die anderen packen direkt mit der ganzen Hand zu. Jacob drückt so fest, dass die Darmwand platzt und ihm das Brät über die Finger strömt. "Macht nichts", beruhigt Fachlehrerin Angelika Wittmann, schickt den Jungen zum Händewaschen und flickt die eingerissene Stelle.

Die Erstklässler der 1 D der Grundschule an der Bazeillesstraße sind zu Gast in der Städtischen Berufsschule für das Metzgerhandwerk. Bei dem Projekt "Kinder − Kunden von morgen" der Abschlussklasse der Fleischereifachverkäufer sollen sie spielerisch an das Thema Fleisch und Wurst herangeführt werden. Für die Berufsschüler gilt es unterdessen, eine Werbeaktion für Kinder im Grundschulalter eigenständig zu planen und zu machen. Neben dem gemeinsamen Wursten hatten sie dazu verschiedene Stationen in ihrem Klassensaal vorbereitet. Ein Memory und ein Würfelspiel, bei denen die Namen verschiedener Lebensmittel genannt werden müssen, Mandalas mit Tieren vom Bauernhof und ein Spiel, bei dem unterschiedliche Speisen den Kategorien Obst, Gemüse, Milchprodukte und Fleisch zuordnet werden müssen.

Neugierig schauen die Kinder zu, wie die fertige Wurst entsteht. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Spiel ist vor allem bei den Milchprodukten schwierig, doch Kalin legt das Käsebild nach kurzem Überlegen sicher in die richtige Kategorie. Am Ende des Spiels fällt den Berufsschülern auf, dass sie gar keine Bilder von Fleischprodukten ausgedruckt hatten. "Peinlich", stöhnt einer von ihnen, und auch die Berufsschullehrerin Corinna Reischl schüttelt lachend den Kopf. Richtig schlimm sei das aber nicht, sagt sie. Die Kinder bekämen die Wurst bei dem Projekt ja "live" vorgeführt und außerdem sollte Obst und Gemüse sowieso deutlich häufiger gegessen werden als Fleisch.

Das haben die Berufsschüler auch in die Infobroschüren für Eltern geschrieben, die sie vor dem Projekt erstellt haben. Darin informieren sie zum Thema gesunde und ausgewogenen Ernährung. Den Grundschulkindern erklären sie das anhand einer Ernährungspyramide, die an der Tafel hängt. "Ihr solltet jeden Tag mehrmals Obst und Gemüse essen und dazu reichlich trinken", erklärt Jamie. Brot, Nudeln und Reis sollten dagegen weniger oft und Fleisch nicht täglich gegessen werden, führt er weiter aus. Auf dem Gipfel der Pyramide stünden Süßigkeiten, weil sie am ungesündesten seien. Der Erstklässler Jan wirft ein: "Aber trotzdem sind die am leckersten" - und hat die Lacher auf seiner Seite.

Beobachtet von 25 Grundschulkindern mischt Metzgermeister Armin Bloch im Cutter Putenfleisch, Salz, Pfeffer, Phosphat und Öl zusammen und stellt so den Wurstteig her. (Foto: Stephan Rumpf)

Gerade diese Situation findet Jamies Mitschüler Giovanni gut. "Man lernt, wie Kinder auf einen reagieren. Gleichzeitig können sie schon jetzt eine Bindung zum Metzgerberuf aufbauen", erklärt er. Die Kinder würden zwar nicht jeden Tag Fleisch essen, dafür aber vielleicht solches mit hoher Qualität vom Metzger, der ihnen auch noch sagen kann, was in der Wurst drin ist. Das sei der Vorteil zur billigen Ware aus dem Supermarktregal, erklärt der 18-Jährige.

Hierin sieht auch die Klassenlehrerin der Grundschüler Michaela Küblbeck einen Vorteil des Projektes. "Die Kinder haben teilweise gar keine Ahnung, wie Wurst überhaupt hergestellt wird", sagt sie. Auch, dass die angehenden Fleischereifachverkäufer Wert auf eine ausgewogene Ernährung legen, findet sie gut. In der Schule werde das Thema gesundes Pausenbrot zwar auch behandelt, trotzdem komme es ab und an vor, dass Kinder mit einer Tüte Chips oder sogar ganz ohne Brotzeit in der Schule aufliefen, sagt sie.

Weil die Grundschüler während der Lernspiele immer wieder sagen, dass sie hungrig sind, und unbedingt sehen wollen, was aus den glatten und glitschigen Würstchen geworden ist, die sie gedreht haben, geht es in Zweierreihen zurück zu den praktischen Lehrsälen. Hier haben Lehrerin Wittmann und ein Auszubildender alles vorbereitet. Die Würstchen wurden gebrüht und angebraten und liegen dampfend in einem großen Edelstahlbehälter neben dünnen Frikadellen für Burger. Der Reihe nach balancieren die Grundschüler die Burger und Würstchen auf den Tellern zu ihren Plätzen. Dabei strahlt ihnen die Vorfreude auf die selbstgemachte Wurst durch ihre Zahnlücken. Nach den ersten Bissen bestätigen Muhammad und Jan unisono, dass ihre Wurst gelungen ist: "Es schmeckt besser als zuhause."

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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