Bildung:Lernen mit Hotte Karotte

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Die Baywa-Stiftung hat sich dem gesunden Essen für Kinder verschrieben. Sie finanziert Schulgärten und zeigt mit dem Ernährungskompass, dass Gemüse und Obst auch schmecken können

Von Sven Loerzer

Wenn Kinder schlecht gelaunt in die Schule gehen, sich unkonzentriert und aggressiv in der Klasse verhalten, kann das eine ganz schlichte Ursache haben. "Sie sind einfach hungrig", sagt Maria Thon, Geschäftsführerin der Baywa-Stiftung. Andere Schüler wiederum reagierten mit Rückzug, wenn der Magen knurrt. Seit 2010 stellt die Baywa-Stiftung deshalb ein gesundes Frühstück für das Sonderpädagogische Förderzentrum München-Neuperlach bereit, an dem weit mehr als die Hälfte der Schüler teilnimmt. "Man hat ganz klar gemerkt, wie die Kinder ausgeglichener werden und sich besser konzentrieren können." Frühstücksprojekte für Schulen organisieren inzwischen viele Stiftungen und gemeinnützige Vereine, allen voran Uschi Glas mit ihrem Verein "Brotzeit". Aus dem Frühstück und der Übernahme der Schulpatenschaft für das Sonderpädagogische Förderzentrum entwickelte die Baywa-Stiftung ein umfassendes Bildungsprojekt zur Vermittlung von Ernährungswissen. "Wir haben zum Glück ja keine Mangelernährung bei uns, wohl aber eine Fehlernährung und viele daraus resultierende Erkrankungen", sagt Maria Thon. "Vor 30 Jahren gab es 50 Prozent weniger übergewichtige Kinder als heute. Das Wissen um gesunde Ernährung muss früh vermittelt werden." Seit 2013 bietet die Stiftung deshalb interessierten Schulen Unterstützung zum Aufbau von Schulgärten. Den Kindern werden dabei praktische Fertigkeiten vermittelt: In kleinen Teams mit fachkundiger Begleitung bauen sie die hölzernen Hochbeete zusammen, befüllen sie mit Baumschnitt, Laub, Kompost und Pflanzerde. Bepflanzung und Pflege teilen sich die Schüler, ein bunter Kalender hilft bei der Einteilung der Gießdienste. Spielerisch lernen die Kinder Kräuter am Geruch zu erkennen. Am "grünen Schultag" wird aber auch gemeinsam gekocht. Angeleitet von Ernährungspädagogen schnippeln die Kinder gemeinsam Gemüse und bereiten eine gesunde Mahlzeit zu. Dort, wo Platz ist, können die Kinder auch ein kleines Schulfeld anlegen, zum Beispiel mit Weizen. Nach der Ernte fahren die Schüler zu einer Mühle in der Region. Zum Abschluss backen sie gemeinsam Brot.

Im letzten Jahr kamen noch Hotte Karotte, Heidi Himbeere, Elsa Eiweiß und Kalle Kartoffel dazu, die "Ernährungshelden" aus dem Ernährungskompass, der gemeinsam mit Ernährungsmedizinern der Technischen Universität München für den Einsatz in Grundschulen entwickelt wurde. Kinder erfahren darin, was in den Lebensmitteln steckt und wofür es gut ist. Jede zweite Grundschule in Bayern hat sich das flott bebilderte und mit einem Spiel ausgestattete Lehr- und Aktionsbuch gesichert. Mehr als 1200 Schulen haben kostenlose Klassensätze erhalten. 40 000 Exemplare sind verteilt, weitere 20 000 stehen für dieses Jahr bereit. Ergänzend dazu bietet die Stiftung Lehrerfortbildungen und Unterrichtsmaterialien an. Abgerundet wird das Bildungsprogramm durch die App "Essen+Wissen", die sich an die Eltern richtet mit praktischen Tipps, etwa wie sich ein Balkongarten einrichten lässt, Bewegungsprogrammen und Rezeptideen, auch wenn die Zeit mal knapp ist. "Ein gesundes Frühstück lässt sich schon am Abend vorbereiten", sagt Maria Thon.

Die "Ernährungshelden" aus dem eigens entwickelten Buch kommen zu Besuch in die Grundschule. (Foto: Florian Peljak)

Um das umfassende Programm "Gemüse pflanzen. Gesundheit ernten" zu finanzieren, wirbt Baywa-Vorstandsvorsitzender und Stiftungsvorstand Klaus Josef Lutz persönlich um Spenden: Bei der Jubiläums-Gala zum 20-jährigen Bestehen der Stiftung sammelte er im vergangenen Jahr 500 000 Euro ein. Die Baywa gibt den gleichen Betrag dazu, verdoppelt also jede Spende und bezahlt alle Kosten. Dass das Geld für das Ernährungsprogramm, rund 700 000 Euro, gut angelegt ist - diesen Nachweis hat die Stiftung auch schon erbracht. Sie ließ von der Technischen Universität die Wirkung messen: "27 Prozent der Kinder probieren Obst und Gemüse, das sie vorher nicht kannten", sagt Maria Thon. 22 Prozent essen jetzt Sorten, die sie vorher nicht mochten. Das Ernährungsverhalten der Kinder verbessert sich deutlich.

Einen Bedarf zu erkennen, klein zu beginnen mit einem Projekt, zu schauen, wie kommt es an und wirkt es, das ist Maria Thon sehr wichtig. Sie und ihre Mitarbeiter stellten beim Bewerbungstraining im Sonderpädagogischen Förderzentrum fest, dass viele Schüler keine Vorstellung davon hatten, was sie später einmal für einen Beruf ergreifen könnten. "Jeder Mensch hat Stärken", erklärt Maria Thon. Aber ihre eigenen Stärken zu erkennen, damit taten sich die Neuntklässler schwer. Stiftungsmitarbeiterin Cornelia Ast entwickelte als Pilotprojekt deshalb die Stärkenfindung. Das hilft den Jugendlichen, ihre eigenen Talente zu entdecken und Selbstvertrauen zu gewinnen, und eröffnet allen neue Möglichkeiten für die Berufswahl, die sie zuvor gar nicht kannten: "Meist wollten sie das werden, was Vater und Mutter beruflich machen", erklärt Cornelia Ast. "Aber nicht aus persönlichen Beweggründen, sondern weil sie den Beruf bereits aus der Familie kennen." Die Bewerbungsgespräche, die Jugendliche vor Stiftungsmitarbeitern und Mitarbeitern der Personalabteilung unter realistischen Bedingungen absolvieren, sind ebenso wichtig: Die Schüler erfahren danach, was gut ankam, und erhalten Tipps, was sie besser machen können. Weil der Testlauf erfolgreich war, will die Baywa-Stiftung das Stärkentraining in diesem Jahr an einem weiteren Sonderpädagogischen Förderzentrum anbieten.

"Fang die Helden" vermittelt Wissen im Spiel. (Foto: Baywa-Stiftung)

Über das regionale Engagement hinaus ist die Baywa-Stiftung aber auch international aktiv. In Tansania zum Beispiel baut sie als Hilfe zur Selbsthilfe Kleinst-Biogasanlagen, die saubere Energie zum Kochen liefern, aber auch Arbeitsplätze entstehen lassen. In Sambia unterstützt die Stiftung die Ausbildung von jungen Müttern.

"Für jedes Unternehmen und jede Privatperson ist es wichtig, gesellschaftliches Engagement zu zeigen", sagt Maria Thon. "Gemeinsam können wir viel bewegen." Ernährungsbildungsprojekte und erneuerbare Energien bilden den Schwerpunkt für die Baywa-Stiftung, was gut zu einem Agrarkonzern passt. Andere Stiftungen, hinter denen Unternehmen stehen, setzen andere Akzente: Die Günther-Rid-Stiftung für den bayerischen Einzelhandel zum Beispiel stärkt die Einzelhändler mit kostenlosen Weiterbildungsangeboten, damit sie im Wettbewerb bestehen können - eingedenk der schwierigen Anfänge für das Unternehmen Betten-Rid. Die Hypo- Kulturstiftung hat sich der bildenden Kunst verschrieben, die BMW Foundation Herbert Quandt bringt weltweit Führungspersönlichkeiten zusammen, um ihren Einsatz für nachhaltiges Handeln zu fördern. "Es geht uns so gut in München, in Deutschland im Vergleich zu vielen Regionen auf der Welt, dass wir einfach zusammenhalten müssen", sagt Maria Thon. "Kinder sind unsere Zukunft, wenn wir bei den Kindern nicht ansetzen, haben wir eine ganz große Chance vertan."

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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