Bildende Kunst:Neue Ernsthaftigkeit

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Ein Spiegel der aktuellen Situation? Philipp Goldbachs zweiteiliges Farbfotogramm auf Fuji Crystal Archive: Ohne Titel (Kriwet), 1, 2019. (Foto: Philipp Goldbach/Galerie Carol Johnssen / VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

Mit Various Others und Open Art startete die Kunstszene am Wochenende in die Herbstsaison. Die Neugierde auf die Ausstellungen war groß, die Stimmung blieb verhalten

Von Evelyn Vogel

Mit vereinten Kräften hat die Galerie- und Museumsszene Münchens an diesem Wochenende mit Various Others und Open Art einen Neustart in den Kunstherbst unter Corona-Bedingungen unternommen. Ansichts steigender Fallzahlen bibberten am Freitag noch alle den neuesten Hiobsbotschaften in Sachen Corona entgegen - und atmeten erleichtert auf, als am Samstag keine verschärften Maßnahmen angekündigt wurden. "Gemeinsam statt Gegeneinander" schien die Losung. Nur am Rande hörte man die eine oder andere neidische Anspielung, die meisten sprachen nett und freundschaftlich übereinander, versuchten beide Veranstaltungsreihen nicht als Konkurrenz, sondern als vereinte Kraftanstrengung zu begreifen.

Im Laufe des Wochenendes dann fühlte es sich an, als ob man sich zum Kunstgenuss mit angezogener Handbremse verabredet hätte, was sich in aller erster Linie auf den Eventcharakter des Kunstwochenendes bezog. Nur wenige schienen so richtig in Feierlaune zu sein. Wenn doch, dann tat man das eher im kleineren Kreis. Die Pop-Up-Bar des Kunstvereins im Hofgarten profitierte eindeutig von ihrer zentralen Lage und dem milden Wetter, während die als Various-Others-Party gedachte Veranstaltung in der Villa Stuck einfach nicht richtig in Schwung kommen wollte. Allenfalls profitierten die Museumsbesucher an diesem Abend von der Ruhe im Haus für ungestörte Kunstbetrachtungen.

Man kann nicht sagen, dass das Angebot vom Publikum nicht dankbar angenommen worden wäre. Trotz des herrlichen Sommerwetters flanierten am Wochenende zahlreiche Besucher durch die Galerien. Aber schon die Eröffnung von Lucy McKenzies Ausstellung im Museum Brandhorst am Mittwochabend fühlte sich seltsam an mit den zugeteilten Time-Slots, die dafür sorgten, dass die Besucherströme ganz Corona-kompatibel dahinflossen. Und auch bei den Previews am Donnerstagabend schien eher Selters statt Sekt die Besucher zu stimulieren. Daraus resultiert dann auch die zweite Einschätzung dieses Wochenendes: die einer "neuen Ernsthaftigkeit".

Zu dieser neuen Ernsthaftigkeit passten auch etliche Ausstellungen, bei denen sich Künstler mit sehr ernsthaften Themen auseinander setzten. So Thu Van Tran, die bei Rüdiger Schöttle im Rahmen der Open Art zu sehen ist. Ihr post-kolonialer künstlerischer Diskurs bezieht sich auf ihre vietnamesischen Wurzeln. Auch Michael Sailstorfes Keramikskulpturen, die als Teil des Various-Others-Programms bei Schöttle zu sehen waren, könnte man als post-koloniales Statement interpretieren. Aneignung und Codierung verschiedener Quellen hat sich der aus Köln stammende, 32 Jahre alte Künstler Philipp Goldbach zu eigen gemacht. In seinen Fotogrammen, Papier- und Lichtobjekten bei Carol Johnssen steckt viel Philosophisches.

Thu Van Thran, Helene Appel, Michael Sailstorfer, Galerie Rüdiger Schöttle, Amalienstr. 41, bis 14. Nov. bzw. 12. Okt. Philipp Goldbach, Galerie Carol Johnssen, Königinstr. 27, bis 30. Okt.

© SZ vom 15.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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