Betreuung:"Das macht man nicht mal mit einem Hund"

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Seit vier Monaten ist der städtische Kindergarten an der Kirchenstraße nach einem Wasserschaden geschlossen. Weil sich die Stadt intern lange über die Sanierung stritt, müssen die Kinder bis heute weite Wege in Kauf nehmen

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Preziosa Schieback, Elternbeiratsvorsitzende des städtischen Kindergartens an der Kirchenstraße 17 a, erinnert sich noch genau daran, wie es Anfang Juni in den Räumen des Kindergartens aussah: Der Innenbereich des Kindergartens gleicht einer große Pfütze. Auf den Toilettenboden, in weite Teile des Flurs, in zwei Gruppenräume und einen sogenannten Intensivraum, in dem sich Kinder in kleineren Gruppen treffen, ist das Abwasser gelaufen. Dort, wo sonst 73 Kinder zwischen drei und sechs Jahren gemeinsam spielen, lernen und schlafen, steht das Wasser. Wegen einer verstopften Wasserleitung ist an Alltagsbetrieb im Kindergarten nicht zu denken. Selbst heute noch nicht, weil die Sanierungsarbeiten noch nicht einmal begonnen haben.

Auf den Wasserschaden folgte nämlich ein Pingpong-Spiel der Gutachter und der finanziellen Zuständigkeiten. Während die Kindern weinten, weil sie auf fremde Kindergärten aufgeteilt wurden, erhofften sich die Eltern zunehmend ungeduldig mehr Hilfe von der Stadt. Mehr Informationen, mehr Verständnis für die Situation ihrer Kinder. Denn während darum gestritten werde, wer für den Schaden aufkommt, rücke das Wohlbefinden der Kinder immer mehr in den Hintergrund, kritisiert der Elternbeirat.

Kinderprotest an der Kirchenstraße: Sie wollen wieder zurück in die vertrauten Räume und nicht mehr nur davor sitzen. (Foto: Catherina Hess)

Gut vier Monate der Unsicherheit und des Wartens liegen hinter Schieback. Dann platzt ihr der Kragen: "Man kann unsere Kinder doch nicht einfach umgewöhnen, das macht man nicht einmal mit einem Hund im Tierheim." Für das Vorgehen der Stadt findet sie immer wieder dasselbe Wort: "Eine Frechheit."

Eine Frechheit, dass sie trotz Nachfragen von diversen Stellen der Stadt immer nur vertröstet worden sei. Dass sie am Morgen weite Wege durch die Stadt fahren müsse - ohne die zusätzlichen Kosten für den öffentlichen Nahverkehr erstattet zu bekommen. Dass ihre fünfjährige Tochter Felicitas - wie elf andere Kinder - nicht in die Vorschule geht, weil dafür in dem Ausweichkindergarten kein Platz ist. Dass dort drei Toiletten für etwa 70 Kinder ausreichen sollen. Eine Frechheit, dass sie immer noch nicht weiß, wann die Kinder in die Räume an der Kirchenstraße zurückkehren können. Was Schieback aber am meisten aufregt, ist, dass "die Kostenfrage offensichtlich wichtiger ist als das Wohl unserer Kinder".

Denn außer dass die Kinder auf zwei andere städtische Kindertagesstätten aufgeteilt wurden - eine an der Arabellastraße und eine weitere an der Denninger Straße - geschah lange nichts. Zumindest an der Kirchenstraße. Denn hinter den Kulissen führte die Stadt ein Selbstgespräch darüber, wie groß der Schaden ist und wer dafür aufkommen muss. Gesprächsteilnehmer: die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG als Eigentümerin des Gebäudes an der Kirchenstraße, das Referat für Bildung und Sport (RBS) und das Referat für Gesundheit und Umwelt. Ein Sprecher des RBS teilt dazu mit: "Zunächst mussten mehrere Gutachten erstellt werden, um das gesamte Ausmaß des Schadens überblicken zu können. Dann folgte eine längere Abstimmungsphase mit dem Versicherungsunternehmen, das zunächst die Freigabe der Sanierungskosten nicht erteilte." Oder wie es eine Mitarbeiterin der GWG in einer E-Mail an den Elternbeirat, die der SZ vorliegt, ausdrückt: "Das Ausmaß und die Höhe der Kosten dieses Schadens ließen eine schnellere Vorgehensweise nicht zu." Für Schieback der blanke Hohn. Die Stadt könne ja auch nachträglich noch entscheiden, aus welchem städtischem Topf die Sanierungskosten beglichen werden, findet sie.

Derzeit unerreichbar: Der Kindergarten an der Kirchenstraße muss erst noch saniert werden. (Foto: Catherina Hess)

Während sich die Behörden den Schwarzen Peter untereinander zuschieben, wird die Situation für die Kinder immer unerträglicher. In einem Brief vom 5. Oktober an das RBS berichten die Eltern von erheblichen psychischen Problemen bei ihren Kindern, die durch die fremde und unsichere Umgebung hervorgerufen worden seien. Ein Kind habe einen ärztlich attestierten Blinzel-Tic entwickelt, andere bereits trockene Kinder hätten sich wieder eingenässt. Alle Kinder seien spürbar angespannt - nicht nur, weil in den Ausweichkindergärten kein Platz mehr für den Mittagsschlaf sei. Auch an Schiebacks Tochter geht die Situation nicht spurlos vorbei. "Früher ist sie gerne in den Kindergarten gegangen, heute ist sie täglich widerwillig." Auch weil ihr bester Freund nicht mehr kommt - im neuen Kindergarten gefällt es ihm nicht.

Inzwischen steht immerhin ein Termin fest, zu dem die Baustelle an der Kirchenstraße eingerichtet werden soll. Von Montag, 23. Oktober, an wird "mindestens vier Monate" an der Kirchenstraße saniert, teilt das RBS mit. Voraussichtliche Kosten: etwa 200 000 Euro, "wovon 70 000 Euro von der Landeshauptstadt München übernommen werden." Den Rest trage die Versicherung.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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