Berg am Laim:Über den Acker zum Bach

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Von der Bolzwiese zum Bachlauf: An der Hansjakobstraße könnte der Hachinger Bach offengelegt werden (Foto: Privat)

Ein Neubaugebiet für 2000 Menschen und die Freilegung eines kleinen Gewässers beschäftigen die Bürgerversammlung

Von Lea Kramer, Berg am Laim

Flatterbänder trennen die Stuhlreihen. Gelbe Karten markieren die Sitzplätze. Desinfektionsmittel. Kontaktverfolgungsformular. FFP-2-Maske. Wie alle Münchner Bürgerversammlungen in diesem Sommer findet auch die Berg am Laimer Bürgerbeteiligung unter anderen Voraussetzungen statt als sonst. Ungeachtet dessen sind an die 70 Bewohner des Stadtteils in die Turnhalle des Heinrich-Heine-Gymnasiums im angrenzenden Neuperlach gekommen. Sie treibt vor allem eins um: das große Neubaugebiet auf dem letzten freien Acker im Viertel.

Es ist die erste Bürgerversammlung, die Alexander Friedrich (SPD) als Vorsitzender des Bezirksausschusses (BA) Berg am Laim eröffnet. Kurz nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr war er für den Posten nominiert worden, nachdem sein Vorgänger Robert Kulzer (SPD) wegen seines Wechsels ins Planungsreferat der Stadt Anfang 2020 überraschend aus dem Gremium ausgeschieden war. Man möge es ihm daher nachsehen, "wenn es in meinem Bericht etwas rumpelt", sagt Friedrich eingangs. Weder der BA-Vorsitzende noch die Teilnehmer waren allerdings zu übermäßigem Poltern aufgelegt. Trotz sonst in der Stadtgesellschaft kontrovers diskutierter Themen zu Infrastruktur, Nachverdichtung, Mobilität und Müll herrschte in Berg am Laim fast schon traute Einmütigkeit. Von 18 Anträgen und drei Anfragen lehnte die Versammlung am Ende des Abends vier ab, der Rest wurde nahezu immer einstimmig angenommen.

Truderinger Acker

Bis zum Jahr 2040 soll die Bevölkerungszahl von Berg am Laim um 14 Prozent anwachsen. Statt wie bisher knapp 47 700 Menschen sollen dann 54 350 im Stadtbezirk leben. Diesen Anstieg hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in seinem jüngsten Demografiebericht für Berg am Laim prognostiziert. Zurückzuführen ist der erwartete Zuzug auf mehrere große Bauprojekte im Viertel, unter anderem das Neubaugebiet auf einer bislang landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen der Truderinger Straße und der Roßsteinstraße. In dem unter dem Namen "Truderinger Acker" bekannten Bauvorhaben sollen 820 Wohnungen für etwa 2000 Bewohner entstehen.

Der BA habe das Vorhaben in seiner jetzigen Form abgelehnt, weil "der Ausbau der sozialen Infrastruktur nicht in ausreichender Form mitgeplant wird", sagte Vorsitzender Friedrich in der Neuperlacher Halle. Mit seiner Haltung hatte das Stadtteilgremium auch den Protest der Anwohner unterstützt. Diese fühlen sich und ihre Wünsche von den Stadtplanern übergangen, teils sogar ihre Rechte verletzt. Damit die Münchner diese künftig besser wahrnehmen können, soll die Stadt eine Bürgerbeteiligungssatzung beschließen und die Bodenrichtwerte für Grundstücke kostenlos zur Verfügung stellen.

So wünscht es sich ein Berg am Laimer aus dem Umfeld des Truderinger Ackers, der bei der Bürgerversammlung nicht namentlich genannt werden will, dessen beide Anträge aber große Zustimmung fanden. "Die Stadt soll ihre Bürger schlau machen. Sie müssen wissen, wie eine Bauleitplanung geht, wer die wichtigen Entscheider sind und welche Rechte sie selbst haben", sagte er. Ein anderer Bewohner fügte hinzu: "Um die Bürger zu stärken, brauchen wir Informationen." An Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) gerichtet sagte er: "Ich bitte darum, dass die Volkshochschule mehr Fortbildungsveranstaltungen aus dem Bereich Politik anbietet." Diese Anregung werde sie mitnehmen, sagte Dietl, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner Volkshochschule (MVHS) ist. Eine Mitarbeiterin des Planungsreferats versprach indes, dass es von September an weiter Bürger-Workshops zum Truderinger Acker geben solle.

Hachinger Bach

Alteingesessene mögen sich zurücklehnen, hatte BA-Vorsitzender Friedrich gesagt, als er das seit zwei Jahrzehnten debattierte Thema Hachinger Bach ansprach. Er könne nicht "seriös und verlässlich" sagen, wann der Hachinger Bach durch den Stadtbezirk fließen werde. Die Stadt verhandle weiter mit privaten Grundstückseigentümern. Bei der Hochhauswiese an der Hansjakobstraße sei man zumindest soweit, dass sich ein Bereich eingrenzen lasse, wo der Bach hervorkommen könnte, berichtete die Mitarbeiterin des Planungsreferats.

Heinz Unruh, Veteran in Sachen Bach-Renaturierung, bezeichnete die immer wieder verschobene Freilegung des Gewässers als "megapeinliche Posse". Er forderte daher mit Unterstützung der Versammlung, dass die Stadt den Sachstand zu den problematischen Grundstückskäufen sowie deren Finanzierung offenlegt. Eine Spendenaktion könne ihm zufolge zusätzlich hilfreich sein, um das Projekt zu finanzieren.

© SZ vom 16.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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