Bereit für den Jahreswechsel:Wie sich die Zeiten ändern

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Längst ist er Kult, der Kalender des Truderinger Kulturkreises. Das Erscheinungsbild folgt seit 22 Jahren demselben Muster, doch inhaltlich bieten die alten Bilder und die Texte der Stadtteilhistoriker oft überraschende Erkenntnisse

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Es gibt vielleicht buntere, informativere, aufwendiger gestaltete und akribischer redigierte Kalender als den des Arbeitskreises Stadtteilgeschichte des Truderinger Kulturkreises. Doch das Werk, das alljährlich alte Bilder von "Trudering Waldtrudering Riem" an zahlreiche Wände bringt, erlangt langsam Kultstatus. Das gelingt vor allem durch Kontinuität. Auf die Kalendermacher Peter Wagner, Gundula und Georg Kronawitter, Christian Schulz und Gottfried König ist eben Verlass. Da wird nicht jedes Jahr das Format oder das Layout geändert. Seit 22 Jahren gibt es in bewährter Weise für jeden Monat ein historisches Motiv aus dem reichen Bilderschatz der Stadtteilhistoriker, dazu einen kleinen, launigen Text, gespickt mit einer Portion Geschichts- und Ortskenntnis und garniert mit großer Heimatliebe. Unten folgen im immer gleichen Design in einer Tabelle die Tage und Wochen, natürlich ergänzt durch alle Feiertage. Sogar der Preis des Kalenders, der in vielen örtlichen Läden und auf örtlichen Weihnachtsbasaren feilgeboten wird, hat sich nie erhöht. Im Gegenteil, bei der Umstellung auf den Euro damals haben sie abgerundet.

Kennt man einen, kennt man alle? Nein, weit gefehlt. Auch wenn das Strickmuster dasselbe bleibt, lernt man doch in jedem Kalender überraschende Neuigkeiten über den Münchner Osten. Wer weiß zum Beispiel, warum die Solalindenstraße mit Hausnummer 22 beginnt? Der Bau der neuen Wasserburger Landstraße trennte 1974 alte Straßenzüge, sie wurden nicht mehr als Einheit wahrgenommen. Daher stehen die einstigen Häuser 1 bis 21 an der heutigen Max-Rothschild-Straße. Die Solalindenstraße war aber auch am anderen Ende schon mal länger: Bereits 1957 wurde sie wegen des Wasserschutzgebiets an der Turnerstraße gekappt und als Am Vogelsang fortgesetzt. Wer hätte das gewusst?

Trudering, das war einmal ländliche Idylle. Diesen Eindruck vermitteln einsame Bilder von Orten, an denen heute der Verkehr tost, von alten Höfen, Schulhäusern. Besonders beachtet aber sind natürlich die Aufnahmen mit Menschen. Der Kalenderfan schätzt den Blick aufs damalige Gwand, wie etwa bei den Buben der dritten Klasse der Lehrer-Götz-Schule im Jahre 1948 mit ihrer Frau Lehrerin Deiglmayr. Derbe, stabile Schuhe, verrutschte selbstgestrickte Kniestrümpfe, so manche Trachtenjoppe. Im Monat Mai zeigt ein Bild von 1910 fesche Männer mit Hut, gruppiert um Zither und Bierkrug, wie es sich gehört. Früher lag das Trachtlerheim sogar noch am Trachtlerweg. Spaßig anzusehen ist auch die Kluft vom Arbeiter-Turn-Verein 1916, sie erinnert ein wenig an lange Unterhosen Marke Schiesser-Feinripp. Zeiten ändern sich, das lehrt dieser Kalender.

Ober-Kalendermacher Peter Wagner ist dieses Mal zudem im Album der eigenen Familie fündig geworden. 1941: Peter ist Krabbelkind, aber bereits bereit, die Welt zu erkunden. Halb ist er schon draußen aus dem Gartentürl, der große Bruder aber bewacht den Kleinen. Ein Bild zum Schmunzeln.

© SZ vom 03.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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