Inzwischen sind sie alle weg. Im vergangenen Jahr standen sie noch, die 27 Bäume des Köşk-Gartens an der Schrenkstraße im Westend. Vor wenigen Wochen wurden die Bäume gefällt und liegen noch wie auf einem Schlachtfeld vor dem verlassenen Gebäude. Gleichzeitig sollen nur wenige Hundert Meter weiter, an der Fäustlestraße, für mehrere Tausend Euro sieben neue Bäume gepflanzt werden. Sie sind Teil einer Initiative der Stadt zur Neupflanzung von insgesamt 3500 Bäumen. Insgesamt ist die jährliche Baumbilanz der Stadt aber weiterhin negativ. Mit einer überarbeiteten Verordnung will München nun dafür sorgen, dass das Fällen von noch mehr Bäumen genehmigungspflichtig wird - und die Ausgleichszahlungen für nicht nachgepflanzte Bäume steigen.
Im November 2023 zog der Kreativtreff Köşk vom Westend in die Ludwigsvorstadt, den Altbau möchte die Stadt München durch einen vierstöckigen Neubau ersetzen. Dafür mussten aber auch die Laubbäume weichen, die bisher vor dem Haus standen. Die Initiative "Köşk Garten retten" setzte sich für die 27 Bäume ein, reichte einen Antrag beim Bezirksausschuss ein, verteilte Flyer und versuchte, gegen die Pläne zu mobilisieren. Dennoch erteilte die Stadt eine Baugenehmigung für das Projekt. Ende Dezember wurden die Bäume gefällt.
Anne Schmidt, die ein Designbüro in der Nachbarschaft betreibt, beteiligte sich an der Initiative "Köşk Garten retten". Sie teilt mit: "Der Baumbestand im Westend geht immer weiter zurück, und zugleich werden die Aufenthaltsplätze im Freien und die Orte, sich zu begegnen, ganz allgemein für die Bewohner immer weniger. Natürlich schmerzt es auch, dass mit dem Köşk ein interkultureller Treffpunkt im Westend verschwindet - aber dass selbst die Stadt unter grüner Regierungsbeteiligung auf eigenen Grundstücken bestehende Grünflächen mehr oder weniger diskussionsfrei opfert, hat uns unabhängig davon sehr geärgert."
"Der Baumerhalt ist nicht prioritär", sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz. Er beklagt, dass die Baumbilanz der Stadt über Jahre hinweg negativ sei und die Nachpflanzungen an den Notwendigkeiten vorbeigingen. Der Geschäftsführer der Naturschutzorganisation in München sagt: "Im Netto haben wir etwa 2000 Bäume Verlust pro Jahr, im öffentlichen und privaten zusammen."
Die Münchner Baumbilanz 2022 war insgesamt negativ. Im Jahr 2022 wurden in den 25 Stadtbezirken insgesamt 7786 Bäume gefällt und 6438 neue Bäume nachgepflanzt, insgesamt ergibt das ein Minus von 1348. Davon fällte die Stadt auf öffentlichem Grund 2550 Bäume und pflanzte 2710 nach, also 160 mehr. Auf privaten Grundstücken hingegen wurden 5236 Bäume abgeholzt und lediglich 3728 neue gepflanzt, also 1508 zu wenig, um wieder auf null zu kommen.
"Baurecht schlägt Baumschutz."
Astrid Sacher zufolge, Leiterin der Abteilung Baumschutz und Freiflächengestaltung im Planungsreferat, handelt es sich bei den Zahlen um die reinen Genehmigungen. Diese seien erforderlich, wenn ein Baum ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern, gemessen in einem Meter Höhe über dem Boden, gefällt werden solle. Ob die Bäume im Genehmigungsjahr auch tatsächlich umgeschnitten wurden, weiß die Abteilungsleiterin nicht. Die Erfahrung habe jedoch gezeigt, so Sacher, dass alle erlaubten Vorhaben auch umgesetzt würden. Sie ergänzt: "Baurecht schlägt Baumschutz." Bäume mit einem geringeren Stammumfang als 80 Zentimeter müssen nicht genehmigt werden, weshalb hierfür keine Zahlen vorliegen.
Im Privaten werden mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Sacher zufolge würden diese oftmals entfernt, weil sie krank seien. Wird gefällt, weil dort nachverdichtet oder neu gebaut wird, ist eine Ausgleichspflanzung ebenfalls schwierig, sagt Sacher, denn dann bleibt nicht genug Platz für eine Ersatzpflanzung. In diesem Fall würden Ausgleichszahlungen fällig, derzeit sind es 750 Euro pro Baum.
Ein neuer Baum kostet mindestens 3500 Euro
Die Ausgleichszahlungen für nicht gepflanzte Bäume gehen an das Baureferat, das damit wiederum neue Bäume pflanzen soll. Der Naturschützer Hänsel kritisiert diese Zahlungen: "Geld macht die Luft nicht sauberer. Und die Bäume, die über diesen Topf gepflanzt werden müssten, die fehlen."
Die Summe der Ausgleichszahlungen stimmt außerdem nicht mit den Kosten für einen neu gepflanzten Baum überein. Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer zufolge sind diese abhängig von Alter und Art der Bäume. Bei den 3500 Bäumen etwa, die die Stadt bis 2028 pflanzen möchte, liegen die Kosten bei den günstigeren Gewächsen zwischen 3500 und 5000 Euro.
Dass die Baumschutzverordnung nicht mehr zeitgemäß ist, hat die Stadt erkannt. Die Verordnung, die zuletzt 2013 geändert wurde, soll novelliert werden: Dann ist bereits das Fällen von Bäumen mit 60 Zentimetern Stammumfang genehmigungspflichtig. Daneben sollen der Geltungsbereich ausgeweitet und die Ausgleichszahlungen angepasst werden. Auf welche Höhe ist offen.
Im Oktober hat der Stadtrat die Novellierung befürwortet. Ende Februar soll es eine Informationsveranstaltung geben. Danach will das Planungsreferat einen endgültigen Entwurf erarbeiten. Der Stadtrat soll die neue Fassung diesen Herbst beschließen.