Barbesitzer über Oktoberfest-Gäste:"Das hat oft etwas Zwanghaftes"

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Stefan Gabanyi in Arbeitskleidung am Tresen seiner Bar. (Foto: Robert Haas)

Einschlafen oder Bier anstarren: Um 23:30 Uhr werden die letzten Besoffenen aus den Bierzelten der Wiesn geworfen. Dann wollen sie weiterziehen, zum Beispiel zu Stefan Gabányi in seine Bar an der Theresienwiese. Der macht das dieses Jahr aber nicht mehr mit. Warum, erzählt er im Interview.

Von Philipp Crone

Im vergangenen Jahr hat er seine erste Erfahrungen gemacht, wie es ist, eine Bar neben der Wiesn zu führen. Stefan Gabányi, 57, arbeitete bis 2011 in der Schumann's Bar und hatte gerade erst seine "Bar Gabányi" geöffnet. Die Erlebnisse von 2012 haben ihn dazu bewogen, nun für die gesamte Oktoberfestzeit sein Lokal am Beethovenplatz zu schließen. Auf Facebook kündigte er das gerade an und zeigte dazu ein Foto von sich, kopfüber auf einer Treppe liegend.

SZ: Herr Gabányi, was soll uns dieses Bild sagen?

Stefan Gabányi: Das ist interpretierbar. Es könnte heißen: Der ist schon vorher blau, oder er hat keine Nerven mehr.

Keine Nerven mehr wofür?

Für die Wiesnzeit. Im vergangenen Jahr haben mir die Leute gesagt, dass ich in der Zeit viel Geld verdienen könnte. Aber es kam anders. Während die Zelte noch offen waren, war kein Mensch hier, und danach kamen sie dann. Manche sind schon am Eingang eingeschlafen, andere haben eine Stunde ihr letztes Bier angeschaut. Die Zeit war einfach irre anstrengend, es war laut und hat gestunken. Man muss dauernd aufpassen, dass niemand durchdreht, niemand auf andere losgeht und keiner auf die Theke kotzt. Das brauche ich dieses Jahr nicht.

Viele wollen eben nicht gleich nach Hause nach einem Zeltbesuch.

Den Effekt kenne ich gut. Wenn man freiwillig geht, macht man sich auf den Weg nach Hause. Aber wer irgendwo rausgeworfen wird, so wie Tausende auf der Wiesn, wenn die Zelte schließen, der meint dann, unbedingt noch weiterziehen zu müssen. Und wer um 23.30 Uhr aus dem Zelt kommt, ist ja schon zerstört, die Leute, die um 2 Uhr dann noch kommen, die sind unbeschreiblich.

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Endlich wieder Wiesn! Tausende Münchner und Touristen strömen auf die Theresienwiese - zum Feiern, zum Schaulaufen und manchmal auch zum Durchatmen. In einer Kategorie ist auf dem Oktoberfest schon jetzt die Millionenmarke geknackt worden.

Die After-Wiesn-Partys werden von Jahr zu Jahr mehr . Offenbar schauen nicht alle ihr letztes Bier nur an, sondern haben eine gute Feierkondition.

Es ist ja so: Heute gehen ganz andere Leute auf die Wiesn als früher. Als ich noch ein Kind war, sind nur Touristen und die Bierdimpfel hingegangen. Sagt man heute noch Bierdimpfel?

Klar.

Also die. Und heute gehen ganz viele junge Leute hin. Die Wiesn hat den Fasching ersetzt, schon allein bei der Verkleidung. Die Jungen haben eine beachtliche Kondition, auch dank Wodka-Bull und Co, aber sie sind nicht unbedingt mein Kernpublikum. Sich vom Käferzelt mit dem Bus abholen lassen und ins P1 fahren. Das hat dann oft auch etwas Zwanghaftes.

Wer aber noch eine Station weiterzieht, kann vielleicht am nächsten Tag irre Geschichten erzählen.

Was ich schon für Heldengeschichten gehört habe, da wirst du ja beim Zuhören besoffen. Das sind die Trinkermythen, also eine Art Seemannsgarn, vielleicht könnte man Trinkergarn sagen.

Klingt gut.

Da kommen wir ins Philosophische. Denn bei diesen Mythen geht es immer darum, gemeinsam Grenzen zu überschreiten, einen Exzess zu erleben, und dafür ist das Oktoberfest ja eine institutionalisierte Form.

Was empfiehlt der Gastronom denn einem Wiesngast, der im Zelt drei Maß getrunken hat und nun weiterzieht?

Ja, eigentlich müsste ich ihm sagen: Trink Wasser, damit du zu dir kommst. Aber der Witz auf der Wiesn ist ja auch, dass es maßlos wird. Und da helfen manchmal Schnäpse schon für einen kurzen Zeitraum.

Inwiefern helfen die?

Wer Bier trinkt, der wird langsam in einen angenehmen Zustand versetzt und irgendwann müde. Ein Wodka macht einen dann noch einmal kurzzeitig frisch und lebendig im Kopf, man wird dann zwar gleich noch viel besoffener, merkt es aber nicht sofort.

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Rund um die Wiesn werden ja regelrechte Budenlandschaften in den Straßen errichtet. Wie wär's: Sie bieten den Leuten auf dem Weg einen Cocktail to go?

Wäre eine Überlegung wert - aber, nein danke.

Und setzen Sie dann keinen Fuß auf die Theresienwiese in den nächsten zwei Wochen?

Mal sehen, ich habe ja das ganze Jahr mit Alkohol zu tun, das muss ich jetzt nicht auch noch unbedingt in geballter Form erleben. Meine Tochter geht mittlerweile lieber mit ihren Freundinnen, und ich wohne ja direkt dran, brauche also nur aus dem Fenster schauen, dann bin ich schon da. Tagsüber, bei schönem Wetter, da ist es allerdings schon ganz schön auf der Wiesn. Oder nachts um 2 Uhr. Das hab ich früher manchmal gemacht.

Nachts um 2?

Ja, da wird geputzt, und manche Fahrgeschäfte haben noch ihre Lichter an, das ist eine wunderbare Atmosphäre. Und keiner wankt mehr rum, die haben sie dann alle weggeräumt.

© SZ vom 21.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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