Klassik:Eine Stadt zum Klingen bringen

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Die Bamberger Symphoniker unter Chefdirigent Jakub Hrůša, hier bei einem Konzert in Prag. (Foto: Andreas Herzau)

Die Bamberger Symphoniker feiern mit ihrem Publikum Geburtstag und beschenken sich selbst mit Platte und Buch.

Von Egbert Tholl, Bamberg

Diese, die durch Corona fast unmöglich gemachte Saison, wäre eigentlich ein Anlass zur Freude gewesen: Die Bamberger Symphoniker wollten ihren 75. Geburtstag feiern. Ein wenig davon bleibt übrig: Am Samstag, 24. Juli, spielen sie ihr letztes Konzert in dieser Jubiläumssaison als großes Open-Air, im Herzen von Bamberg. Auf der Jahnwiese, einer Halbinsel in der Regnitz, feiern sie mit Chefdirigent Jakub Hrůša und dem Publikum. Das Orchester lädt die ganze Stadt ein, nicht nur ihr Stammpublikum, das zu erleben, was man so lange vermissen musste, die Kraft der Musik. "Nach den vielen Monaten der gespenstischen Ruhe ist es an der Zeit, die Stadt wieder mit wunderbaren, lebendigen Klängen zu erfüllen." Und zwar mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Violinkonzert (Solo: Ray Chen) und Antonín Dvořáks "Slawischen Tänzen".

Eines ihrer schönsten Geschenke haben sich die Bamberger bereits vor dem Lockdown gemacht. Sie nahmen Bedřich Smetanas "Má Vlast" ("Mein Vaterland") auf Platte auf, also jene Tondichtung, in der die Moldau so schön rauscht. Die Aufnahme entstand in einem sogenannten Direct-to-Disc-Verfahren, das heißt, was die lediglich vier Mikrofone aufzeichneten, wanderte über ein analoges Mischpult direkt zum Schneidstichel. Das Ergebnis ist nicht nur haptisch sehr schön - drei Schallplatten, je eine Seite für einen Satz, abzuspielen bei 45 Umdrehungen -, es klingt auch absolut umwerfend. Man glaubt wirklich, in Böhmens Fluren spazieren zu gehen, alles klingt unfassbar leicht, luftig, frei. Jakub Hrůša dirigiert sehr konkret, man hört Details, die man in vielen Sälen dieser Welt nicht hören kann.

Dabei ist Jakub Hrůša gar kein dezidierter Freund von Aufnahmen. Er liebt das Live-Erlebnis, aber das war ja nun lange Zeit nicht möglich. Die Bamberger, die sich 1946 aus ehemaligen Mitgliedern des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag und anderen Musikerinnen und Musikern, die ebenfalls infolge des Krieges aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen, gründeten, sind, obwohl in Bamberg sehr präsent, auch ein international tätiges Reiseorchester. Wann Tourneen wieder möglich sein werden, weiß niemand. Zur Erinnerung an andere Zeiten gaben sie nun ein herrliches (Bilder-)Buch über die letzte China-Tournee heraus. Ach, war das mal schön.

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