Badeunfälle:Augen weg vom Smartphone, liebe Eltern

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So leer wie hier im Dantebad sind die Becken im Hochsommer selten. Bei großem Andrang kann es schnell zu unübersichtlichen Situationen kommen. (Foto: Robert Haas)

Eine Münchner Klinik schlägt Alarm: Es gibt immer mehr Kinder, die beinahe ertrinken, weil Mütter und Väter lieber aufs Handy schauen als aufzupassen.

Von Robert Meyer

Die Klage aus dem Haunerschen Kinderspital klingt besorgniserregend: Schon mehrfach, so meldet die Klinik, mussten in diesem Sommer Kinder behandelt werden, die beinahe beim Baden ertrunken wären - weil ihre Eltern nicht ordentlich auf sie achtgegeben hätten. Christoph Bidlingmaier, der Leiter der Ambulanz, mahnt eindringlich, Erwachsene sollten beim Ausflug ans Wasser "das Handy oder Tablet zur Seite legen" und lieber auf die Kinder aufpassen. Selbstverständlich ist das offenbar nicht, berichtet der Mediziner. "Wir haben schon einige Fälle gehabt, wo Vater oder Mutter abgelenkt waren", ärgert sich Bidlingmaier. Zwei Kinder mussten aus diesem Grund auf der Intensivstation des Krankenhauses behandelt werden. Sechs weitere wurden in der Ambulanz versorgt, teilt das Klinikum mit.

Nicht nur die Isar und Badeseen, auch ungesicherte Gartenteiche und aufblasbare Pools könnten schnell gefährlich werden, warnt der Arzt. "Es reicht schon eine unachtsame Minute, um bei Kleinkindern schwere gesundheitliche Schäden oder Schlimmeres zu verursachen." Eltern müssten deswegen "durchgehend" auf ihre Kinder aufpassen.

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Ein dreijähriges Mädchen ist vor zwei Wochen nach einem Badeunfall im Lußsee in Lochhausen gestorben. Ihre Mutter und ihre Großmutter verloren das Kind offenbar nur für einen kurzen Moment wegen der vielen Menschen am See aus den Augen, da geriet die Dreijährige ins Wasser und ging unter. Badegäste reanimierten das Kind, doch später starb das Mädchen im Krankenhaus. Die Polizei geht in diesem Fall allerdings nicht davon aus, dass die Mutter und die Großmutter Schuld an dem Unglück tragen.

Immer wieder kommt es zur Sommerzeit zu tödlichen Badeunfällen. Neben Kindern sind häufig ältere Menschen gefährdet, die ihre Kraft mitunter überschätzen. Anfang August ertrank ein 67-jähriger Mann aus Köln im Tegernsee, laut Polizei waren womöglich gesundheitliche Probleme die Ursache für das Unglück. Einen Tag später kam eine 76 Jahre alte Münchnerin beim Baden im Walchensee ums Leben. Wiederum nur 24 Stunden später starb eine 80-jährige Rosenheimerin im Happinger See, auch hier vermutet die Polizei gesundheitliche Probleme als Ursache. Solange das Wetter so gut bleibe, sei zu befürchten, dass die Zahl der Badeunfälle weiter steige, erklärt Michael Förster von der Deutschen-Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG).

Heinz Effenberger von der Wasserwacht München appelliert grundsätzlich an alle Badegäste, auf ihre Mitmenschen im Wasser aufzupassen. Denn er und seine Kollegen hätten schlicht nicht die Kapazitäten, zu jeder Stunde überall präsent zu sein. Viele Eltern würden meinen, die Wasserwacht passe schon auf ihre Kinder auf, doch das sei immer noch die Aufgabe der Väter und Mütter, sagt Effenberger. Die Zahl der Badeunfälle sei ungefähr auf ähnlichem Niveau wie in den Vorjahren, schätzt er. Genaue Zahlen erhebt die Wasserwacht erst am Ende der Badesaison.

In den Münchner Freibädern ging die Zahl der Wasserrettungen sogar "spürbar zurück", berichtet Stadtwerke-Sprecher Michael Solić. Der Grund dafür sei, dass in diesem Jahr weniger Flüchtlinge die Bäder besuchten, die häufig nur schlecht oder überhaupt nicht schwimmen könnten. Noch hat es in diesem Jahr keinen Todesfall in einem Münchner Freibad gegeben. Bayernweit sei die Zahl der Badetoten hingegen "etwas höher" als im Vorjahr, berichtet Michael Förster von der DLRG. Mindestens 70 Menschen seien bisher ertrunken.

Um Badeunfälle zu vermeiden, da sind sich Betreiber, Retter und Ärzte einig, sollten die Gäste in erster Linie wachsam sein. Christoph Bidlingmaier vom Kinderspital rät Eltern, sich bereits im Vorfeld eines Ausflugs klarzumachen, was im Freibad oder am See alles passieren könnte und darauf besonders achten. Zudem gebe es spezielle Erste-Hilfe-Kurse für Eltern.

Gerade an heißen Tagen sei es sinnvoll, sich vor dem Baden abzukühlen, empfiehlt Förster von der DLRG. Nichtschwimmer sollten darauf achten, nicht zu tief ins Wasser zu gehen und sich selbst nicht zu überschätzen. Falls man jemanden im Wasser sehe, der Hilfe brauche, solle man zu zweit zu der Person schwimmen, sie von beiden Seiten unter den Achseln greifen und ans Ufer bringen, erklärt Förster. Für alle Fälle empfiehlt Kinderarzt Bidlingmaier: Ruhe bewahren und Hilfe rufen.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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