Bad Tölz-Wolfratshausen:"Huch, wie schön!"

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Andrea Fessmann ist begeistert vom Tassilo-Festabend, der endlich wieder viele Kulturschaffende zusammenbringt. Die Hauptpreisträgerin verpflichtet auch gleich ein neues Chormitglied.

Von Felicitas Amler

Andrea Fessmann hat sehr darunter gelitten, dass die Kultur in der Corona-Krise so extrem eingeschränkt war. Andererseits kann sie, wenn sie auf die vergangenen Monate zurückschaut, feststellen: "Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Konzerte dirigiert. Vierzehnmal das Mozart-Requiem, dreimal die Carmina Burana und eine Erstaufführung von Teilen einer zeitgenössischen Magnificat-Vertonung von Kim André Arnesen." Allerdings verdankt die Sängerin, Lehrerin für Alexandertechnik, Chorgründerin und Dirigentin dies allein ihrer eigenen Energie, ihrem unbedingten Willen, Musik zu machen. Dass sie dafür mit einem Tassilo-Hauptpreis ausgezeichnet wurde, nimmt sie dankbar als Bestätigung ihres leidenschaftlichen Engagements. "Ich habe mich wahnsinnig gefreut."

Nicht nur wegen dieser eigenen Ehrung spricht Fessmann so begeistert über den Abend im Künstlerhaus. "Es war alles so liebevoll gestaltet. Und so viele Menschen, das ist man ja in dieser Pandemie-Zeit gar nicht mehr gewohnt." Sie sei die Treppe hinaufgegangen, habe in den festlichen Saal geblickt und gedacht: "Huch, wie schön!"

Sie habe es genossen, Kunstschaffende aus der ganzen Region zu erleben. Besonders beeindruckt sei sie vom Gebärdenchor Sing & Sign gewesen und von den Regenschirmpoeten. "Lauter junge Leute, die Lyrik machen - Hut ab", sagt Fessmann. Und man erfährt bei dieser Gelegenheit, dass sie Gedichte nicht nur liebt, sondern seit ihrer Jugend auch selbst schreibt. Womöglich werde sie eines Tages etwas veröffentlichen, überlegt sie laut. Und erinnert sich heute noch mit Schrecken daran, dass sie als 25-Jährige das Buch verloren hat, in dem sie ihre Gedichte aufgeschrieben hatte. Erst nach einer zehnjährigen Pause sei sie durch einen persönlichen Schicksalsschlag wieder zur Poesie zurückgekehrt.

Wer Lyrik und Musik liebt, kommt am Liedgesang nicht vorbei. "Oratorium und Lied, das ist meine Heimat", sagt Fessmann. Welchen Komponisten oder Dichter sie da besonders schätzt? "Natürlich die Klassiker, Schubert, Schumann, die Gedichte von Johann Mayrhofer, Brahms, Hugo Wolf, das ist alles wahnsinnig schön." Sie lacht, weil sie mit dem Aufzählen kaum nachkommt, und ergänzt noch: "Auch moderne Komponisten wie Darius Milhaud."

Seit Jahren leitet Fessmann den Klangkunst-Chor Iffeldorf und den Münchner Lassus-Chor. Das dritte Vokalensemble unter ihrem Dirigat verdankt sich der Pandemie: der Trotz-Corona-Chor mit seinen spektakulären Auftritten auf dem Königsplatz und dem Odeonsplatz in München. "Konzerte" darf man diese Events nicht nennen - die wären ja im Gegensatz zu Fußballspielen verboten. So sind sie als "Versammlungen" deklariert. Es wird zwar gemeinsam gesungen, aber die Teilnehmenden tragen als Ausdruck der Demonstration Transparente und Tafeln, auf denen steht "Kultur braucht viele Stimmen" oder "Wir wollen singen". Da erklingt dann schon mal das Requiem von Mozart, und in den musikalischen Pausen treten Redner auf, wie der Vorsitzende des Landesdenkmalrats, Thomas Goppel, Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner oder die Virologin Ulrike Protzer.

Tassilo-Pate Christian Springer zeigte sich angetan, dass eine Chorleiterin ausgezeichnet wurde. Und er steht nun bei Fessmann im Wort, denn auf ihren Hinweis, wenn er einmal in einen Chor eintreten wolle, wisse er ja, wo, sagte er zu. Zwei Tage später lacht Fessmann, darauf angesprochen, und sagt: "Das ist meine Akquise-Methode - sofort zuschlagen."

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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