Ausstellung:Ins Gesicht geschrieben

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"Eine Reise in die weibliche Welt" heißt die Serie, die die Eventmanagerin Anna Conti (re.) und Norma Mattarei von der Caritas präsentieren. (Foto: Catherina Hess)

Die Caritas zeigt Porträts Münchner Frauen, die deren Leben, Träume und Ängste zeigen

Von Franziska Gerlach

Das Foto entstand in einer Phase, in der Fanny Nunes sich viele Gedanken gemacht hat über ihre Rolle als Frau. Erst hat sie die Kinder groß gezogen, nun unterstützt sie die Schwiegereltern. "Es bleibt einfach viel an den Frauen hängen", sagt die 55-Jährige. Und weil die Münchnerin ursprünglich aus Brasilien kommt, steht über ihrem Porträt nun "responsabilidade". Verantwortung.

Diese Verantwortung spricht zum Betrachter aus ihren ernsten Augen und den aufeinandergepressten Lippen. Um einen solchen Moment mit der Kamera einzufangen, braucht es nicht nur ein Mindestmaß an Nähe zwischen Fotograf und Fotografiertem. Sondern auch den Mut zur Selbsterkenntnis. "Eine Reise in die weibliche Welt - Gib' den Frauen ein Gesicht" heißt das Kooperationsprojekt von Caritas, dem städtischen Künstlerhaus Villa Waldberta, dem Migrantennetzwerk Morgen und anderen, für das sich in diesem Sommer 100 Münchnerinnen und ein Münchner fotografieren ließen. Einen Teil dieser Bilder zeigt nun bis zum 28. September eine kleine Ausstellung in den Räumen der Caritas an der Lämmerstraße.

Mit dem selbstverliebten Ausdruck eines Selfies haben die Porträts nichts gemein. Die Bilder offenbaren vielmehr die Vielschichtigkeit der menschlichen Seele. Sie zeigen Falten und graue Haare, die Sorgen während einer Scheidung, aber auch die Zuversicht in das eigene Können. Vor allem aber dokumentieren die Bilder die Vielfalt Münchens. Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren traten vor die Kamera. Lehrerinnen, Architektinnen und Sekretärinnen, aus Frankreich, Kroatien, Peru und Indonesien, aus Deutschland, aus der Ukraine und aus Italien kommen sie, aber auch Flüchtlingsfrauen aus Afghanistan, Nigeria und Uganda machten mit, alles in allem 19 Nationen. Zusammengebracht hat sie die Eventmanagerin Anna Conti, eine Italienerin, die in München lebt. Diese wiederum kannte die beiden Künstler Rosy Sinicropi und Antonio Spanedda aus ihrer Heimat, dem Piemont in Italien, wo die Fotografin und der Video- und Performancekünstler bereits zum Thema "Liebe" zusammengearbeitet hatten. Nun, und da Anna Conti schon länger ein Projekt mit Münchnerinnen vorschwebte, holte sie ihre Landsleute in diesem Sommer an die Isar, als Stipendiaten der Villa Waldberta, des internationalen Künstlerhauses der Stadt München, das in Feldafing steht.

Viel dürften die beiden von München nicht gesehen haben. Oft arbeiteten sie bis zum späten Abend. Sinicropi fotografierte, Spanedda bearbeitete später die Porträts der Frauen. Außerdem führte der Italiener mit 40 der Münchnerinnen vor laufender Kamera Interviews zu der Frage, wie sie als Frauen die Welt positiv verändern könnten. Und Sinicropi? Die knipste nicht einfach drauf los, das würde auch so gar nicht passen zu einem Arbeitsansatz, der nach Tiefe und Intensität strebt. Die Fotografin betrachtet die Frauen vor ihrer Kamera als Individuen, mit ihren Träumen, Ängsten und Hoffnungen. "We are not just Machines, we are human People", sagt sie. So ein Mensch sei ja schließlich keine Maschine.

Also nahm sie sich viel Zeit für jede, schuf eine Vertrauensbasis, indem sie zunächst auch etwas von sich erzählte. Die ungewöhnlichen Fotoshootings hatten es in sich: Allein in einem dunklen Raum mussten sich die Frauen in vorgegebene Emotionen einfühlen - etwa in Angst, Verzweiflung, Hass oder ein Gefühl, das ihre Lebenssituation gerade prägt. Wann die Kamera klicken soll, entschieden sie per Auslöser selbst. Das sei für die Flüchtlingsfrauen gar nicht so einfach gewesen, erzählt Serena Widmann von der Flüchtlingshilfe München. Zumal da sie in ihrem Verhalten ja darauf programmiert seien, sich an die Gepflogenheiten in Deutschland anzupassen. "Die haben versucht, ein möglichst schönes Gesicht zu machen", sagt Widmann.

Und nicht immer gefällt einem der Mensch auf dem Foto. "Da sieht man jeden Pickel, jede Pore", sagt Peter Hilkes vom Verein Morgen, einem Zusammenschluss von Münchner Migrantenorganisationen. Als einziger Mann durfte er vor die Kamera - als Ersatz für eine Frau, die kurzfristig abgesagt hatte. Und Hilkes öffnet sich im Nahkontakt mit der Kamera, er lässt sich ein auf die Reise zu sich selbst. Das gehe zwar an die Substanz, sagt er. Aber auf positive Weise.

Die Ausstellung ist bis zum 28. September zu sehen. Montags bis freitags 9 bis 17 Uhr. Caritas, Lämmerstraße 3.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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