Ausstellung:Erfinder des Freistaats

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Bayerns erster Ministerpräsident Kurt Eisner lebte von 1910 bis zu seiner Ermordung in Großhadern. Die Ausstellung über diese Zeit bringt auch seine Familie ins Viertel zurück

Von Berthold Neff

Ausgerufen wurde der Freistaat Bayern im Mathäser, aber vorbereitet wurde die Revolution, aus der eine Republik entstand, in einer kleinen Gemeinde im Westen Münchens: in Großhadern. Dort lebte Kurt Eisner, der erste Ministerpräsident Bayerns von 1910 bis zu seiner Ermordung am 21. Februar 1919. In einer kleinen Villa, die damals an der Adresse Lindenallee 8 stand (heute Pfingstrosenstraße 8), beriet sich der sozialistische Revolutionär mit seinen Weggefährten. Und er versuchte, seinen Kindern, die hier in Großhadern aufwuchsen, trotz des kräftezehrenden politischen Kampfes ein guter Vater zu sein. Wie die kleine Welt in Großhadern damals aussah und wie die große Welt, die der Erste Weltkrieg in ihren Grundfesten erschüttert hatte, hier vor den Toren Münchens spürbar war, zeigt nun eine Ausstellung im Haderner Stadtteilkulturzentrum Guardini 90.

"Schlaglichter! Kurt Eisners Haderner Zeit" lautet der Titel der von Sepp Rauch kuratierten Ausstellung, die unter tatkräftiger Hilfe des Geschichtsvereins Hadern zustande gekommen ist und auf großen Bildtafeln illustriert, wie es vor einem Jahrhundert in der damals eigenständigen Gemeinde Großhadern ausgesehen hat. Man erfährt, wie die etwa 700 Einwohner lebten, von denen jeder zehnte zum Kriegsdienst eingezogen wurde. An der Front erwarteten sie Giftgas, Mörser und Granaten, 20 von ihnen fanden dort den Tod. Fotos und Inschriften in der alten Dorfkirche St. Peter erinnern an ihr Opfer fern der Heimat, am Roten-Turm-Pass etwa, in den rumänischen Karpaten.

Gerda Graßmann (Enkelin), Ururenkel Louis Keßler sowie die Enkel Kurt und Gerhard Eisner (von links) wurden zur Vernissage eingeladen. (Foto: Catherina Hess)

Zu jener Zeit war Kurt Eisner bereits in das Haus an der Lindenallee gezogen. Es gehörte Else Belli, einer Mitarbeiterin. Er hatte die 20 Jahre jüngere Frau 1906, während der gemeinsamen Arbeit bei der Fränkischen Post in Nürnberg kennen und lieben gelernt. Das Verhältnis zu seiner Frau Lisbeth, mit der er fünf Kinder hatte, war damals schon zerrüttet, die Scheidung erfolgte aber erst 1917.

Eisner bemühte sich, den Kontakt zu seinen Kindern aus der ersten Ehe aufrecht zu erhalten. Zwei von ihnen, Ilse und Hans Kurt Eisner, wohnten eine Zeitlang in dem Haus in Hadern. Hans Kurt fuhr zusammen mit einem Nachbarsjungen, Adolf Friedrich Purger, täglich nach München ins Theresiengymnasium. Purger hielt seine Erinnerungen 1969 fest. An Eisner erinnert er sich so: "Ich hielt ihn für einen sehr gescheiten Mann, und Kurt war auf seinen Vater sichtlich stolz."

Der Revolutionär suchte laut Purger den Kontakt mit der Jugend: "Wenn ich mit Kurt zusammen war, gesellte sich manchmal sein Vater zu uns. Er erklärte uns Pflanzen, und durch ihn lernte ich manches unscheinbare Unkräutlein am Wegesrand kennen." Purger entdeckt Parallelen zwischen seinem Vater und dem von Hans Kurt: "Wie mein Vater hatte Kurt Eisner einen roten Spitzbart und einen schwarzumränderten Kneifer. Wie mein Vater trug er einen breitkrempigen Schlapphut, und ebenso sprach er mit niemand und las in der Straßenbahn die Zeitung."

Das Porträt Eisners stammt von der Haderner Künstlerin Ingrid Klaus Uschold. (Foto: Catherina Hess)

Das Idyll hält aber nicht lange. Da Eisner im Januar 1918 den Streik der Münchner Munitionsarbeiter organisiert hatte, verhaftete man ihn und zehn Weggefährten wegen Landesverrats, bis im Oktober saß er in Haft. Aus dem Gefängnis schrieb er an seinen Sohn Hans Kurt: "Lieber Junge! Die Veränderung meiner Lage und die völlige Ungewissheit meiner Zukunft erledigen den Grund, der es in den letzten zwei Jahren geratsam erscheinen ließ, dass Du in München das Gymnasium besuchst." Als Kurt Eisner am 21. Februar 1919 von dem Leutnant Anton Graf Arco-Valley ermordet wurde (der später bei der Lufthansa Karriere machte), lebte Eisners Sohn wieder bei der Mutter in Nürnberg.

Als die Nazis die Macht ergriffen, wurde Hans Kurt Eisner im Verlagsgebäude des SPD-Parteiblatts Vorwärts festgenommen. Er kam ins Gefängnis, danach ins KZ. In Buchenwald wurde er 1942, im Alter von 38 Jahren, durch eine Giftspritze ermordet. Kurt Eisners zweite Frau Else flüchtete 1933 nach Frankreich, und als die Wehrmacht das Land überrollte, nahm sie sich am 17. Juni 1940 im ostfranzösischen Dole das Leben. Viele aus der Familie aber überlebten.

Kurator Sepp Rauch. (Foto: Catherina Hess)

Eine Enkelin (Gerda Graßmann) und zwei Enkel (Kurt und Gerhard Eisner) kamen nun zur Eröffnung der Ausstellung. Einige von ihnen haben selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch erlebt, wie der Nazi-Ungeist andauerte. Als Gerhard Eisner in Berlin den Geburtsschein für seinen Sohn auf den Namen Kurt Eisner beantragte, bekam er vom Standesbeamten zu hören: "Nach diesem Verbrecher können Sie doch kein Kind nennen."

Aber heute kann man den Mann feiern, der die Monarchie durch den Freistaat ersetzte und Bayern ein Grundgesetz gab.

Die Ausstellung an der Guardinistraße 90 ist noch bis zum 23. November geöffnet. Montag bis Samstag von 10 bis 12 Uhr, Dienstag und Donnerstag auch von 17 bis 19 Uhr (auch an Allerheiligen).

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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