Auseinandersetzung:Unter Beschuss

Lesezeit: 2 min

In Allach-Untermenzing wird sehr grundsätzlich über die Restaurierung einer Salutkanone und einer Trachtenfahne diskutiert

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Für die einen ist Brauchtum keine Frage, andere jedoch hinterfragen genauestens dessen Inhalte. Genau daran entzündete sich ausgerechnet in Allach-Untermenzing, einem der Stadtbezirke, in denen Tradition noch hochgehalten und lebendig ist und Vereine maßgeblich das gesellschaftliche Leben prägen, eine lang anhaltende Diskussion, die bis in philosophische Tiefen drang. Soll der Bezirksausschuss (BA) die Restaurierung der 37 Jahre alten Fahne des Heimat- und Volkstrachtenvereins "Alpenrösl" und die Reparatur einer Böller- und Salutkanone des Allacher Krieger- und Veteranenvereins unterstützen und wenn ja, in welcher Höhe? 1838 Euro wollten die einen, 1800 die anderen.

Die Grünen meldeten als erste Bedenken an. "Das ist ein hoher Betrag", sagte Rafael Núñez Kraft, der die Summe für die Fahne gleich mal auf die Hälfte reduziert wissen wollte. Grünen-Sprecher Falk Lamkewitz äußerte grundsätzliche Bauchschmerzen wegen der Fahne und führte den Verhaltensforscher Konrad Lorenz ins Feld. Laut ihm, also Lorenz, dienten Fahnen der Abgrenzung und seien Vorstufen der Gewalt, zitierte er den Nobel-Preisträger. Wobei dessen Theorien auch nicht ganz unumstritten sind.

Was nun die Böllerkanone anging, ließen die Grünen gar nicht mehr mit sich reden. "Ich bin der Meinung, so was braucht kein Mensch", sagte Lamkewitz. "Es muss ja einen Grund haben, dass es dafür kaum noch Hersteller gibt. Der BA sollte keine Kanonen fördern", forderte er und stellte gleich einmal die Tradition auf den Prüfstand. Die sei nämlich kein Wert an sich, sondern deren Inhalt, so seine Theorie.

Schützenhilfe, um im Bild zu bleiben, erhielt er von der SPD. "Eine Kanone ist auch ein Kriegsgerät", sagte deren Fraktionssprecher Pascal Fuckerieder. "Man kann auch mal mit Traditionen brechen und kann Verstorbene auch ohne Böllerschüsse ehrenvoll bestatten." Die Unterstützer der Vereinskultur im BA und die Antragsteller sehen dies naturgemäß anders. "Will man jetzt die Tradition in Bayern sterben lassen und aufgeben?", wollte ein ums andere Mal erbost der Vorsitzende des Krieger- und Veteranenvereins Klaus Trapp wissen.

Kämen noch die Formalien hinzu. Denn beide Vereine hatten kein Vergleichsangebot vorgelegt, wie es verlangt ist. Und beide sehen sich außerstande, das zu tun. Das 450 Kilogramm schwere Ding sei jetzt zur Begutachtung in dem Betrieb im niederbayerischen Pocking, wo es auch gebaut worden sei. Er werde es jetzt nicht für Hunderte Euro in den nächsten Ort nach Österreich karren lassen. "Dann zahlen wir das lieber selber", sagte Trapp. Und für die Trachtler versicherte Wolfgang Sedlmair, dass die Fahne nicht ein halbes Jahr herumgereicht werden könne, um ein zweites Angebot einzuholen. Zumal der Fahnensticker in Olching sein Handwerk und die Machart der einst in Hohenwart angefertigten Fahne genauestens kenne. Beides vertretbar und plausibel, fand die Mehrheit. Und mal in der heimischen Panzerfabrik Krauss-Maffei Wegmann wegen der Reparatur so einer Kanone nachzufragen, wurde auch bald als nicht zielführend verworfen.

Lorenz' Theorie mochte BA-Chefin und CSU-Stadträtin Heike Kainz nicht folgen, und Henning Clewing von der FDP meinte folgerichtig, man spreche ja nicht von der Reichskriegsflagge. Und für Friedrich Schneller (SPD) spielte noch eine Rolle, wie viele Untermenzinger eigentlich in dem Allacher Veteranenverein seien. Schließlich einigte man sich darauf, beides mit jeweils 1500 Euro zu unterstützen: im Fall der Fahne einstimmig, im Fall der Kanone gegen zwei SPD- und alle Grünen-Stimmen.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: