Au:Auf den Leib geschneidert

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Friederike von der Gönna macht in der "Hosenträgernäherei" Männerträume wahr. Regelmäßig ist sie mit einem Stand auf der Auer Dult vertreten - und dann wird es besonders hektisch in dem kleinen Laden an der Oefelestraße

Von Birte Bredow, Au

Feste Stoffbänder, kariert oder einfarbig. Klassisch schwarz, braun und weiß, aber auch rot, blau und lila. Oder noch ausgefallener mit Spielkarten- und Marienkäferaufdruck. Rohmaterial für unzählige Hosenträger füllt den winzigen Laden bis unter die Decke. Ein junger Mann im Karohemd streicht mit den Fingern über Grau-gestreiftes: "Ich glaube, den will ich für die Dult", sagt Leopold von der Gönna in Richtung seiner Mutter, die hinter einer der beiden Industrienähmaschinen in der Mitte des Raumes sitzt. Nicht einmal 15 Minuten braucht Friederike von der Gönna, um dem 28-Jährigen aus dem Band ein neues Paar Hosenträger zu nähen.

Seit 1989 verkauft sie die handgefertigten Stücke in der Hosenträgernäherei an der Oefelestraße 3, schon fünf Jahre zuvor hatte sie ihren ersten Stand auf der Auer Dult. Dort macht sie nach wie vor ihr Hauptgeschäft. An einem guten Tag im Frühjahr oder Herbst schafft sie 50 Stück. Trotzdem wäre es ohne ihre Familie - Ehemann, zwei Töchter, Sohn und mittlerweile auch die Schwiegertochter in spe - gar nicht möglich, das Geschäft weiterzuführen. Denn während der Dult müssen Bestellungen aufgenommen und die georderten Exemplare möglichst schnell genäht werden.

An der Produktion beteiligen sich alle, allerdings mit unterschiedlichen Aufgaben. "Mir ist es lieber, wenn mein Mann nicht näht", schmunzelt Friederike von der Gönna - und schiebt versöhnlich hinterher: "Er ist besser im Verkauf." Ihr Mann, im Hauptberuf Lehrer, bringt die Ware nicht nur an den Mann, sondern trägt sie vor allem selbst. Wenn er tatsächlich einmal ohne Hosenträger aus dem Haus ginge, fühlt er sich nackt, berichtet seine Frau. Es sei sogar schon vorgekommen, dass er sie gebeten hat, ihm irgendwo hin welche vorbeizubringen. Seine Begeisterung für dieses praktische Accessoire wuchs allerdings erst durch Friederike von der Gönnas Nähstube.

Ein Zufall war es, der sie zur Hosenträger-Expertin machte. Als Biologiestudentin jobbte sie auf der Auer Dult. Nachdem sie zunächst nur als Mitarbeiterin Ware verkauft hatte, bewarb sie sich für einen eigenen Stand. Der erste, der dann frei wurde, war einer, an dem fertige Hosenträger angeboten wurden und der "nicht besonders lief", wie sich Friederike von der Gönna erinnert. Lange zuvor war allerdings die Begeisterung fürs Nähen da, schon als Mädchen hatte sie es von ihrer Großmutter gelernt. Und so begann sie damit, die industriell gefertigten Exemplare auf Kundenwunsch zu verändern. Schließlich stieg sie um und begann Hosenträger komplett selbst herzustellen. Doch so individuell die Anfertigungen der 55-Jährigen auch sind, alle Wünsche kann sie nicht erfüllen. Dem Anwalt, der einen Paragrafenaufdruck haben wollte, musste sie beispielsweise absagen, denn neues Band für nur einen Hosenträger zu bestellen, ist nicht möglich.

Das Geschäft läuft heute kostendeckend, leben kann sie davon nicht. Doch nimmt das alles gerne auf sich, arbeitet neben ihrem Beruf als Projektmanagerin acht Stunden wöchentlich in der Näherei und während der Dult deutlich mehr: "Es ist meine Leidenschaft."

Ein schlanker Mann mit Drei-Tage-Bart betritt das Geschäft und schaut sich suchend um. Mit der grauen Baskenmütze und dem passenden Tweedjacket könnte er auch aus Chicago der Zwanzigerjahre kommen. Nun will er sein Outfit perfektionieren: "Ich trage in letzter Zeit einen immer klassischeren Stil, da passen Hosenträger einfach besser als ein Gürtel", meint Florian, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. "Meine jüngeren Kunden sind alle etwas aus der Zeit gefallen", sagt die Ladeninhaberin später. Florian ist trotzdem in vieler Hinsicht nicht der typische Abnehmer von Friederike von der Gönnas Ware. "Die meisten sind eher beleibt", sagt sie. Oft ältere Herren, die ihre Hosenträger nicht als modisches Accessoire sehen, sondern aus praktischen Gründen tragen. Außerdem kennen viele ihren Dult-Stand, dass jemand einfach so in den Laden komme, ist eher selten. Zahlreiche Stammkunden besuchen sie seit Jahren auf dem Volksfest - und nicht jeder möchte auch etwas kaufen: "Viele wollen einfach nur ratschen", sagt Friederike von der Gönna. Um mehr Männer wie Florian, nicht eben klassische Dult-Gänger, anzuziehen, hat die Schwiegertochter in spe dafür gesorgt, dass die Näherei mittlerweile einen Facebook-Auftritt hat.

Sein ganzes Leben schon begleiten Hosenträger Leopold von der Gönna, die ersten hat er bei seiner Taufe getragen. Von klein auf kamen er und seine beiden Schwestern mit auf die Dult, immer mit einer Visitenkarte in der Tasche - falls sie im Gedränge verloren gehen. Schon sehr früh unterstützten die Kinder ihre Mutter auch beim Nähen, versuchten es zumindest. "Wir haben viel Ausschuss produziert", erinnert sich der junge Mann und lacht. "Mit zehn habt ihr dann aber schon richtig mitgeholfen", wirft Friederike von der Gönna ein. Ihr Sohn studiert mit Event-Engineering zwar etwas ganz anderes, doch er will auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Hosenträgernäherei weiter besteht.

Und so ist es nur folgerichtig, dass er bei seiner Hochzeit im kommenden Sommer mit Hosenträgern, abgestimmt auf Hemd und Anzug, vor den Altar treten wird.

Die Hosenträgernäherei, Oefelestraße 3, kann an den Dienstagen, 28. März und 4. April, jeweils von 18 bis 19 Uhr besichtigt werden. Gebühr: fünf Euro. Anmeldung bei der Volkshochschule unter den Telefonnummern 480 066 754 oder 480 066 751.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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