ASV Dachau:Einfrieren? Annullieren?

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Dachaus Handballabteilung steht exemplarisch für die Situation vieler Sportvereine.

Von Ralf Tögel, Dachau

Am Mittwoch ist Jürgen Betz 60 Jahre alt geworden, ein guter Grund zum Feiern. Alles war geplant für die große Fete am Freitagabend, zusammen mit der Handballabteilung des ASV Dachau, der Betz seit nunmehr acht Jahren als Abteilungsleiter vorsteht. Die veranstaltet zu dieser Zeit ihre traditionelle Handballer-Party für Gönner, Unterstützer, Übungsleiter, diejenigen also, die mit viel Engagement dazu beitragen, dass die Abteilung funktioniert. Ein kleines Dankeschön vom Verein. Dann kam Corona, und nun steht alles still. Wie es weitergeht? Darauf hat Betz keine Antwort, darauf hat niemand eine Antwort. Statt Feierlaune ist beim Abteilungsleiter des ASV Dachau nun Krisenmodus angesagt.

Betz ist seit 20 Jahren für den Klub in verantwortlicher Funktion tätig, jahrelang prägte er als Männerwart die erfolgreichen Zeiten der ersten Mannschaft in der Bayernliga, jetzt ist er neben dem Abteilungschef auch gewähltes Mitglied im Vereinsrat. Der Klub hat Ende 2017 die Satzung geändert, angesichts der Größe ein notwendiger Vorgang. Seither kümmert sich ein hauptamtlicher Vorstand um die 4000 Mitglieder, kontrolliert von einem Aufsichtsrat und beraten vom Vereinsrat. Natürlich hat Betz jahrelang aktiv Handball gespielt, ehe ihn eine schwere Knieverletzung zu einem alternativen Weg zwang: "Wenn der Sport Freude macht, muss man sich anderweitig einzubringen." Ein Satz, der viel über Betz sagt, über sein Verantwortungsbewusstsein und seine Leidenschaft, mit der er sich einbringt. Ehrenamtlich. Beruflich ist Betz IT-Fachmann im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen. Was da gerade los ist, kann sich jeder vorstellen.

Schöne Momente: Der Sieg der Dachauer Frauenmannschaft gegen Nellingen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Bei den Handballern aber "liegt alles auf Eis", was mitnichten bedeutet, dass dies auch für seine Vereinstätigkeit gilt: "Wir haben sieben aktive Erwachsenenmannschaften plus eine Freizeittruppe im Spielbetrieb, sowie 13 Kinder- und Jugendmannschaften für die Rückrunde gemeldet", mehr als 300 der 400 Mitglieder seien aktiv tätig. Aktuell ruht der Trainingsbetrieb, ein Problem speziell im Jugendbereich, sagt Betz: "Es fehlt der Bezug zum Verein, der Kontakt. Wir haben in den vergangenen vier Jahren sehr viel im Jugendbereich gemacht", erzählt der Abteilungsleiter, ein ehemals brach liegender Minibereich sei heute wieder voll besetzt, zuletzt gab es sogar einen Aufnahmestopp.

Doch wie sehen die Zahlen wohl aus, wenn sich alles wieder normalisiert hat? "Wir wissen es nicht", sagt Betz. "Vielleicht müssen wir wieder bei null anfangen, weil wir viele verlieren. Kinder können relativ sprunghaft sein." Er sei zwar zuversichtlich, dass sich die Arbeit des Betreuerstabes auszahlen werde, aktuell gebe man proaktiv Informationen über den derzeitigen Stand. "Aber die Kinder brauchen den persönlichen Kontakt, sie haben einen Bewegungsdrang." Hinzu komme die Unsicherheit, "mit wie vielen Mannschaften kann man dann für die nächste Saison planen, wie gehen wir in die Vorbereitungen oder die Qualifikationen? Wir wissen es nicht."

Im Seniorenbereich sei das nicht besser: "Wir können jetzt spekulieren, was mit der aktuellen Situation passiert. Wird sie annulliert? Eingefroren? Aber mit welchem Stand?" Von außen betrachtet könnte der ASV ja profitieren, die Frauen stehen als Absteiger aus der dritten Liga praktisch fest. Storniert der Deutsche Handballbund (DHB) das Geschehen, was als durchaus denkbare Option gilt, könnte der ASV kommende Saison wieder drittklassig spielen. Doch Betz sagt: "Wollen wir das Startrecht für nächstes Jahr wahrnehmen? Wir kennen ja nicht einmal unsere genaue Personalsituation." Einige Spielerinnen hätten angedeutet, dass sie nach beendetem Studium ins Arbeitsleben wechseln, "sie können oder wollen wegen ihrer beruflichen Entwicklung den Aufwand nicht mehr eingehen", so Betz. Zudem habe das "Leichenfleddern bereits begonnen": Er habe angesichts der aussichtslosen sportlichen Situation von Abwerbungsversuchen gehört. "Ohne schlagkräftige Truppe brauchst du in dieser Spielklasse nicht anzutreten", sagt Betz, allein wegen des Kostenfaktors. Eine fünfstellige Summe sei vonnöten, um den Spielbetrieb nur für die Frauen durchzuführen, "wir haben Spieltagskosten oder Auswärtsfahrten". Bislang werde dies vor allem mit vielen kleinen Sponsoren erwirtschaftet. Was einerseits die Sicherheit bringe, beim Wegfall eines Geldgebers nicht sofort in der Existenz gefährdet zu sein, andererseits seien "das genau die Leute, die von der Situation am stärksten betroffen sind." Egal in welche Richtung er spekuliere, Fakt bleibe, "dass ich jetzt nicht weiß, wie ich die Finanzen für eine Drittligasaison aufbringen soll". Eigentlich, sagt der Dachauer Abteilungsleiter, "muss ich zurückziehen und zwei Klassen tiefer gehen". Noch, so stellt Betz klar, handele es sich dabei aber nur um Gedankenspiele.

Sicher dagegen sei, dass die Einbußen die Abteilung "auf zwei Jahre treffen werden". Denn auch die Förderung, die von der Stadt und dem Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) kommt, wird schrumpfen. Berechnet wird diese Unterstützung nämlich nach der Zahl der Übungsleiterstunden des Vorjahres. "Das sind in dieser Saison natürlich weniger, also bekommen wir nächstes Jahr weniger Geld." Sinken aktuell die Sponsorenzuwendungen, fehlen in der kommenden Saison die Zuschüsse, auch wenn sich das Sponsoring wieder auf einem normalen Niveau einpendeln sollte. "Ein Dilemma", so Betz, "wir müssen also in jedem Fall die beiden kommenden Jahre auf Sparflamme planen. Ich muss mir jetzt überlegen, wo ich eventuell Kosten reduzieren kann."

Und nun? "Wir können nur versuchen, das zu realisieren, was man auch umsetzen kann." Soll heißen: Zum Beispiel mit den Übungsleitern reden, denn "ich kann keine laufenden Zahlungen leisten, wenn ich keine Einnahmen über Spieltage habe". Mit gebotener Sensibilität, denn "wir wollen nicht, dass uns die Leute abspringen", Qualität sei im Trainingsbetrieb essenziell.

Viel zu tun, obwohl alles stillzustehen scheint. Bis zum 15. April muss der ASV die Meldung für die dritte Liga abgeben. Für Betz bedeutet dies, Gespräche zu führen, Stimmungen auszuloten und dann im Konsens zu entscheiden, was realistisch machbar ist. Mal sehen, sagt er. Nur eins sei klar: "Wir werden nicht in ein Abenteuer starten und hoffen, dass sich alles schon irgendwie ergeben wird."

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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