Es war ein mutiger Schritt: Vor 30 Jahren hat München als erste Stadt der Bundesrepublik einen Armutsbericht veröffentlicht. Für die Regierenden sind solche Analysen, sofern die Zahlen nicht geschönt werden, eher unangenehm: Zuzugeben, dass auch in einer wohlhabenden Stadt, die manch Außenstehender als unverschämt reich empfindet, Menschen leben, die im Alltag mit dem nicht mithalten können, was anderen als selbstverständlich gilt.
Der jüngste Armutsbericht nimmt Menschen in den Blick, die auf dem Weg durch das Bildungssystem auf der Strecke geblieben sind. Menschen, die keine Arbeit haben, die auf engem Raum leben, denen es selbst Kopfschmerzen bereitet, kleine Kinderwünsche zu erfüllen, die an eine Wohnungsrenovierung nicht denken können, geschweige denn an den Ersatz alter Haushaltsgeräte.
Der Mindestlohn reicht in München deshalb meist nicht aus
Die Stadt hat in den Armutsberichten immer wieder die Ursachen von Armut benannt und nach Kräften versucht, Angebote zu entwickeln, um den Betroffenen zu helfen. Zusätzliche Förderung im Bildungsbereich, Qualifizierungsprojekte für Langzeitarbeitslose - da geschieht schon viel über die eigentliche Zuständigkeit hinaus.
In einem wesentlichen Bereich aber kommt die Stadt wegen des starken Bevölkerungswachstums kaum weiter, allen Bemühungen zum Trotz: Die Mieten in München fressen die Einkommen im unteren und mittleren Bereich auf. Der Mindestlohn reicht in München deshalb meist nicht aus, um die Existenz zu sichern.
Und durchschnittliche Renten zwingen alte Menschen gerade vor dem Hintergrund steigender Mieten immer häufiger dazu, zum Sozialamt zu gehen. All die kleinen kosmetischen Operationen in Berlin, wie die Wohngelderhöhung, sind für Ballungsräume wie München keine wirkliche Hilfe. Der Münchner Armutsbericht ist deshalb nicht nur ein Aufgabenheft, sondern ein Armutszeugnis für den Bund.