Kritik:Mit dem Eros ernsthafter Eleganz

Die Cellistin Anja Lechner konzertiert expressiv und tiefgründig im Schwere Reiter.

Von Klaus P. Richter, München

Das Cello ist eigentlich ein tief philosophisches Instrument. Gedankenvoll meditiert es auf der abgründigen C-Saite, schwärmerisch auf der leuchtenden D-Saite. Aber es ist auch ein erotisches Instrument. Nicht nur mit seiner schönen weiblichen Form, sondern auch mit seiner aparten Stellung. Weshalb es ja auch früher von Frauen nur seitlich, in der "Damenposition" gespielt werden durfte. Wenn Anja Lechner spielt, dann vereinen sich beide Attribute mit souveräner Virtuosität zu einem großartigen Espressivo. Als beschwingtes Entree kam es gleich in ihrer eigenen Komposition, den "Tanz für vier Cellosaiten", in der Schwere Reiter-Halle zur Geltung.

Danach vertiefte sie sich in die abgründigen Tiefen eines Bach, der ja nicht nur geistlicher Thomaskantor war, sondern universales Musikgenie. Aber auch dort, in der c-Moll Solo-Suite, spielte die Cellistin mit einem Espressivo, das ihre genaue Artikulation immer musikantisch illuminierte. Das war, wohltuend, nicht süffig-theatralisch à la Mischa Maisky oder so fundamentalistisch wie Casals, sondern mit dem Eros ernsthafter Eleganz. Bevor ein lateinamerikanisch inspirierter Eros im sinnlichen "Nachklang" auftönte, reflektierte sie noch beim Ukrainer Valentin Silvestrow, mit dem Anja Lechner seit über 20 Jahren zusammenarbeitet, über Bach zu seinem Todestag. Komplexes musikalisches Familienerbe gab es schließlich in der "Strada senza ritorno" zu bewältigen: ein Opus ihres Großvaters Konrad Lechner, das sich als anstrengende Strada avantgardistischer Klangexperimente entwickelte: ein Exerzitium aller technischen cellistischen Möglichkeiten. Erholung danach mit zauberischem Ausklang: ihre Komposition "Danach ist davor" als Uraufführung und die poetische Zugabe.

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