Amoklauf:David S. und seine gefährlichen Freunde

dpa-story: Angst

Absperrband vor dem Olympia-Einkaufszentrum.

(Foto: dpa)
  • Der Amokläufer von München teilte mit Freunden über das Netz Mordpläne und ähnliche Gewaltfantasien, in Ludwigsburg wurde ein 15-Jähriger festgenommen.
  • In David S.' "Manifest" ging es vor allem um Mobbing und eine gescheiterte Schulkarriere.
  • Die Staatsanwaltschaft geht bei der Tat in München derzeit nicht von rechtsextremistischen Motiven aus.
  • Der 16-jährige mögliche Mitwisser des Amokläufers wird in Sicherheitskreisen als "tickende Zeitbombe" bezeichnet - ginge es nach den Ermittlern, wäre er längst in U-Haft.

Von Martin Bernstein und Susi Wimmer

Amokläufer David S., der am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) neun Menschen getötet hat, hatte Freunde im Internet, die ähnliche Gewaltfantasien und Mordpläne teilten. Die Polizei nahm in der Nacht zum Dienstag einen 15-Jährigen aus dem Kreis Ludwigsburg fest, der mit David S. in Kontakt stand und in seinem Zimmer Waffen und Chemikalien lagerte. Zudem fand die Polizei Fluchtpläne seiner Schule bei ihm.

Offenbar einte den Jugendlichen mit David S. der Hass auf Schule und Mitschüler. In dem "Manifest", das der Münchner Amokläufer vor seiner Tat verfasste, geht es vorwiegend um seine gescheiterte Schulkarriere und Mobbing.

Auf die Spur des Ludwigsburgers, der sich in einem Internet-Forum für Ego-Shooter-Spieler mit David S. über Amok-Taten austauschte und unter anderem unter der Bezeichnung "teuflische Psychopathen" Fotos von Waffen auf Instagram postete, war die Polizei durch den Hinweis eines Berliners gekommen. Dieser hatte nach der Münchner Bluttat auf eigene Faust im Netz zu recherchieren begonnen. Der Berliner war nach eigenen Angaben fünf Stunden lang als Zeuge gehört worden, in der Nacht zum Dienstag nahm die Polizei den Chat-Partner von David S. fest.

Der Ludwigsburger Jugendliche hatte nach Angaben der Polizei im Internet Fotos und Zeichnungen veröffentlicht, die auf eine mögliche Amoktat hindeuteten. Bei der Durchsuchung der Wohnung der Eltern seien unter anderem "eine größere Anzahl Kleinkaliberpatronen, mehrere Messer und Dolche" entdeckt worden, zudem eine größere Menge Chemikalien, Material und Anleitungen zur Herstellung von Sprengmitteln. Im Verlauf seiner Vernehmung habe der Jugendliche eingeräumt, sich wegen persönlicher und schulischer Probleme mit einer Amoktat auseinandergesetzt zu haben. Er habe sich aber inzwischen davon distanziert.

Die Ludwigsburger Polizei sagte der SZ, der Junge, und auch die ganze Familie seien bis dato "völlig unauffällig" gewesen. Ob der Ludwigsburger konkret von den Planungen seines Münchner Freundes wusste, können die Ermittler derzeit noch nicht sagen. Der Jugendliche aus Ludwigsburg kam nicht in Untersuchungshaft, sondern ist nach Angaben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft derzeit in der Jugendpsychiatrie, wo er freiwillig untergebracht sei. Das Bayerische Landeskriminalamt hat inzwischen eine 60-köpfige Sonderkommission gegründet, die die zahlreichen Spuren abarbeitet.

Kurz vor seiner Tat schrieb David S.: "Ich hasse alle Menschen"

Schulische Probleme könnten auch bei David S. Mitauslöser für den Amoklauf gewesen sein. In einem mehrere Seiten langen "Manifest", das die Ermittler in der Wohnung von David S. fanden, kreisen seine Gedanken über den nicht geschafften Realschulabschluss, über Perspektivlosigkeit - und dass andere Leute schuld daran seien.

Der 18-Jährige wollte mit seinem Schreiben offenbar seinem Idol Anders Behring Breivik nacheifern. Dieser hatte genau fünf Jahre vor dem Münchner Amoklauf auf der norwegischen Insel Utøya 77 Menschen getötet und zuvor ein rassistisches und rechtsextremistisches "Manifest" verfasst. Die Staatsanwaltschaft geht derzeit aber nicht davon aus, dass David S. wie sein Vorbild aus rechtsextremistischen Motiven gehandelt haben könnte. "Die Auswertung des sichergestellten Materials ist aber noch nicht abgeschlossen", sagt Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. David S., der Deutsch-Iraner war, schimpfte viel auf Türken und andere Ausländer, schrieb aber kurz vor seiner Tat in einem Chat: "Ich hasse alle Menschen."

Mitte Mai hatte er sich bei Facebook ein gefälschtes Profil unter dem Namen eines jungen türkischen Mädchens aus Hessen eingerichtet. Darüber lud er für Freitagnachmittag ins Schnellrestaurant ein - ob er damit gezielt junge Türken anlocken wollte, ist offen. Sein Plan ging ohnehin nicht auf. Mehr als 100 Facebook-Freunde teilten den Post, 40 schickten ein "Gefällt mir". Doch nach SZ-Informationen stimmen die Namen der Opfer nicht mit den Facebook-Klarnamen derer überein, die auf den Aufruf von David S. reagiert hatten. Die Menschen, die er tötete, waren Zufallsopfer: Der 18-Jährige begann seinen Amoklauf im ersten Stock des Burger-Restaurants und schoss wahllos auf Besucher.

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