Porträt:Von Magie und Liebe

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Mit Illusionen und viel Fingerfertigkeit verzaubert Alexander Krist. In seine Kunststücke hat der Magier oft ein bis zwei Jahre Entwicklungsarbeit investiert. (Foto: Sebastian Konopix)

Alexander Krist gehören in München gleich zwei Zaubertheater: Was ihm auf der Bühne und im Leben leicht geglückt scheint, ist mit einem schrecklichen Schicksalsschlag verbunden.

Von Barbara Hordych, München

Ein Mensch, der sich was traut und dem es dann auch noch auf scheinbar magische Weise gelingt: Nicht nur seine Kunststücke auf der Bühne, sondern auch der Traum vom eigenen Zaubertheater, in Alexander Krists Fall sind es sogar zwei. In seinem "Table Magic Theater" am Unteren Anger, in dem die maximal 86 Zuschauer in nur fünf aufsteigenden Reihen dem Geheimnis ganz nah sind, führt er am Tisch Close-up-Magie vor. Nicht frontal, sondern von drei Seiten einsehbar. Ein Konzept, das den Magier David Copperfield zu der Äußerung inspirierte "I fell in love with close up magic in Germany". Das war während eines Treffens des Magic Circle in Las Vegas, bei dem der große Copperfield Bilder des kleinen Amphitheaters in München zeigte. Das mit eigens bei Krist angefragten Bauplänen ein Wochenende lang sogar zweimal nachgebaut wurde - damit mehr Zuschauer hineinpassten. Bei einem Treffen im "Kristelli", Krists zweiter Spielstätte für 500 Zuschauer am Fuße des Olympiabergs, zeigt er das Video auf seinem Smartphone. "Eigentlich ist es in der Zauberszene verpönt, bei Shows zu filmen, bei Copperfield ist es sogar strikt untersagt", sagt Krist. Aber hier bekamen er und sein Geschäftspartner Christian Münch von den Organisatoren den Tipp: haltet das Handy bereit.

Im "Table Magic Theater" am Unteren Anger sitzen die Zuschauer wie in einem kleinen Amphitheater in fünf aufsteigenden Reihen um einen Tisch, der von drei Seiten einsehbar ist. (Foto: Dieter Lukas - Panobilder.de)

Ein Mensch von zugewandter Fröhlichkeit, der seinen Weg mit Leichtigkeit gegangen ist, könnte man meinen. Was stimmt. Aber auch wieder nicht. "Den Mut, meinen eigenen Weg zu gehen, mich gegen eine Laufbahn als Versicherungsmakler zu entscheiden, den hätte ich ohne Anne nicht gehabt", sagt Krist ganz klar. Was klingt wie einer dieser Sätze, die Männer gerne bei Dankesreden über ihre Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen äußern, hat in Krists Fall einen tragischen Hintergrund. Denn seine Freundin Anne ist seit mehr als 20 Jahren tot. Erschossen von ihrem Ex-Freund, als sie ihn nach der Trennung aufsuchte, um ihre Sachen aus seiner Wohnung zu holen. Danach erschoss er sich selbst.

"Ich war auch noch derjenige, der ihre Bedenken beschwichtigte, bevor sie zu ihm ging", sagt der heute 46-jährige Krist. Gekannt hatten sie sich schon lange, Krist war als Junge bei ihrer Mutter in der Mittagsbetreuung. Seine eigenen Eltern waren damals mit dem Aufbau ihrer Versicherungsagentur beschäftigt, Nachmittags blieb nicht viel Zeit für ihn und seine zwei Brüder. Sein Weg war vorgezeichnet, er sollte die Agentur übernehmen, er machte eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Doch dabei passierte etwas Unvorhergesehenes: Ein Berufsschullehrer zeigte seinen Schülern zum Schluss des Unterrichts als Belohnung Zauberkunststücke. "Ich war wie elektrisiert, wollte unbedingt wissen, wie er das macht". Jener Lehrer, Lothar Vogt, lud ihn schließlich zu sich und seiner Frau nach Hause ein, erklärte ihm vieles und gab ihm Zauber-Bücher zum Üben. "In mir wuchs der Wunsch, Zauberkünstler zu werden; aber ich hatte große Scheu davor, das meinem Vater zu sagen", erinnert sich Krist.

Und dann starb 1999 Anne. Auf ihren Tod reagierte Krist mit Suizidgedanken und Schuldgefühlen. Dann kristallisierte sich ein ganz neues Gefühl heraus: "Ich hatte keine Angst mehr. Was konnte ich noch verlieren, wieso sollte ich nicht wagen, meinen Lebenstraum zu verwirklichen?" Dies ist ein Teil seiner Biografie, von dem vertraute Menschen schon lange wussten. Den sie aber auf seine Bitte hin nicht in die Öffentlichkeit trugen. Das hat sich nun geändert, er erzählt von dieser tiefen Zäsur auch in der Lebenslinien-Sendung, die am 7. Februar um 22 Uhr im BR ausgestrahlt wird.

Alexander Krist bei einer Vorstellung in seinem Zaubertheater "Kristelli" am Fuße des Olympiabergs. (Foto: Dieter Lukas - Panobilder.de)

Keine Versicherung also, stattdessen zog Krist mit Mitte Zwanzig als Straßenkünstler durch Europa, trat schließlich auch in Dubai in Hotelbars auf. Dort machte er die Erfahrung, dass er an einem Tisch zwar vor acht Menschen zauberte - am Ende ihn aber 60 weitere Menschen umrundeten, die alle "ganz nah dran" sein wollten bei seinen Kunststücken mit Karten, Münzen und Ringen. Die Idee zur Close-up-Magie war geboren. Und mündete 2009 in die Gründung des Zaubertheaters "Krist & Münch". Vorstellungen gaben sie an sieben Abenden in der Woche, Sonntags oft sogar zwei. Nun, "üben, üben, üben, und zwar mehrere Stunden täglich" ist ohnehin entscheidend bei der magischen Kunst.

Seine Shows entwickelt Krist ständig weiter. Das betrifft nicht nur die Tricks, in die er und sein Team oft ein oder zwei Jahre Entwicklungszeit investieren. "Ich muss mich auch als Mensch nahbarer machen, mich nicht nur als geschniegelter Perfektionist präsentieren". Seit er zu dieser Erkenntnis kam, streut Krist in seine Vorführungen auch persönlichere Erzählungen ein. Der Zuspruch ist enorm - "die erste Reihe könnten wir oft mehrmals verkaufen", sagt Krist und lächelt. Wobei das Amphitheater seit dem 15. März 2020 geschlossen ist. "Close-up-Magie, bei der die Zuschauer die Münzen in die Hand nehmen und Karten ziehen, ist auf Abstand nicht möglich". Also investierte er 450 000 Euro aus seinem Privatvermögen in den Umbau des ehemaligen Theaterzelts "Das Schloss" zum "Kristelli", mitten in der Pandemie. Auch das muss man sich erst mal trauen.

Auch wenn sein Geschäftspartner Münch nicht mehr auftritt, sondern im Hintergrund die Geschäfte führt, steht er Krist seit mehr als zwanzig Jahren bei. Seinen ehemaligen Berufsschullehrer Lothar wiederum holte Krist für Kindervorstellungen in sein kleines Zaubertheater. Vielleicht sind diese "Bindequalitäten" Krists ganz persönliche Stärke. Selbst die Mutter seiner getöteten Freundin ist ihm verbunden geblieben - und schenkt etwa an der Bar den Champagner aus. Und als das Kristelli im vergangenen August endlich Premiere feiern konnte, saß neben Krists zweiter Ehefrau Simone sein 82-jähriger Vater. Mittlerweile ist er versöhnt mit der Berufswahl seines Sohnes.

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