Aktion für Kinder:Teddy in der Notaufnahme

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Noch ist dieses Mädchen skeptisch, welche Behandlung der Medizinstudent für ihren Teddy empfiehlt. (Foto: Robert Haas)

Im Kindergarten Arnulfpark kursiert eine Fieber-Epidemie - fast alle Kuscheltiere leiden an erhöhter Temperatur und müssen im Teddybär-Krankenhaus untersucht werden. Von der Aktion der LMU und TU sollen aber nicht nur die Kinder etwas lernen.

Von Stephan Handel

Evelin hat ein schweres Los zu tragen. Da ist nicht nur dieser schlimme Husten, der geht ja wieder weg. Tragischer ist diese Nudel-Allergie. "Nudeln" hat Lena gehaucht, als der Arzt sie fragte, ob es etwas gibt, was Evelin nicht essen darf. Und weil es ein fürchterliches Schicksal ist, allergisch gegen Teigwaren zu sein, hat der Arzt auch fast gar nicht lächeln müssen, als Lena ihm die Information zuflüsterte, als sei's ein Geheimnis.

Evelin mit der Nudelallergie ist übrigens eine Puppe und nur ein bisschen kleiner als Lena, die mit ihr - so wie 19 andere Kinder aus dem Kindergarten am Arnulfpark - an diesem Montagmorgen in den Pfarrsaal von St. Bonifaz gekommen ist. Der Saal nämlich ist für drei Tage zum "Teddybär-Krankenhaus" geworden; unter den Sammelbegriff "Teddybär" fällt alles, was kleine Kinder im Arm halten und Knuddeln können, also auch Evelin. Sie wird nun wegen ihres Hustens behandelt.

Schwierigster Patient: Kinder

Das Teddybär-Krankenhaus ist eine Aktion Münchner Medizinstudenten von LMU und TU mit zwei Lerneffekten: Zum einen sollen kleine Kinder kennenlernen, wie es beim Arzt, im Krankenhaus zugeht - aber nicht als Patient, sondern sozusagen als Begleitung ihrer Kuscheltiere. Zum anderen aber können auch die Studenten den Dialog mit den Patienten üben, in diesem Fall mit der schwierigsten Sorte: mit Kindern. "Die meisten Ärzte bekommen Panik, wenn der Patient unter 1,40 groß ist", sagt Christoph Klein, Ärztlicher Direktor im Haunerschen Kinderspital, der zusammen mit seinem Kollegen Stefan Burdach von der Kinderklinik rechts der Isar die Schirmherrschaft übernommen hat.

Im Kindergarten Arnulfpark scheint momentan eine schlimme Fieber-Epidemie zu kursieren, fast alle der mitgebrachten Bären, Vögel, Esel, Hunde, Plastikmenschlein leiden an erhöhter Temperatur. Das bedeutet aber nicht, dass der Ablauf deshalb unterbrochen werden würde - nach der Anmeldung, wo gewissenhaft die Namen von Kind und Spielzeug notiert werden, geht's wie im richtigen Leben erst einmal ins Wartezimmer. Dort allerdings ist die Einrichtung nicht sehr realistisch, denn statt jahrhundertealter Frauenzeitschriften gibt es Bögen zum Ausmalen.

Dann werden die Kinder und ihre Plüschpatienten der Reihe nach aufgerufen - und wie bei jeder anständigen ärztlichen Untersuchung steht am Anfang die Anamnese, also die Ergründung der Vorgeschichte. Da stoßen die angehenden Mediziner aber auch schon auf die ersten Schwierigkeiten:

Selmedin, der einen schon etwas ramponierten Bären mitgebracht hat - "kein Name, einfach nur Teddy" - weiß nicht, wie groß das Tier ist, und auch über das Gewicht kann er nur ungefähre Angaben machen: "Soviel wie ein Apfel, aber ein bisschen weniger." Dafür beantwortet er die Frage, ob es denn Haustiere in der Familie gebe, sofort und ohne Umschweife: "Ein Hase, ein Hund und Papa."

Lukas Reitzle ist einer der Initiatoren der Aktion und berichtet, dass die Studenten von Kinderärzten geschult wurden für ihren ersten Einsatz am Patienten - dass man einem Kind das Stethoskop zum Beispiel so erklären kann, dass der Arzt sich jetzt mit dem Herzen unterhalten werde. Human- und Zahnmediziner machen mit und ein paar Pharmazeuten, aber die Apotheke steht erst am Ende der Prozedur.

Antonia muss mit ihrem Huhn jetzt erst mal zum Röntgen. Das könnte allerdings, sollte sie sich tatsächlich mal etwas brechen, eine Enttäuschung geben: Es dürfte keine Klinik auf der Welt geben, in der das Röntgengerät eine Maus aus Pappmasché ist - in Betrieb genommen wird diese, indem eine Glühbirne eingeschaltet wird. Dann müssen die Röntgenologen aus den bereits vorhandenen Bildern nur noch das heraussuchen, bei dem auf der Rückseite "Vogel" steht - schon ist die Diagnose klar: Antonias Huhn hat sich das Bein gebrochen, ab in den OP.

Alle Patienten haben die Untersuchung übrlebt

Christoph Klein, der echte Kinderarzt aus dem Hauner, ist schon durch mit der Untersuchung seines Bärchens "Benjamin" - wahrscheinlich ist so ein Chefarzt privat versichert und kommt deshalb früher dran. So hat Klein nun Zeit, über weitere Vorzüge solcher Aktionen zu sprechen: dass sie nämlich die "Awareness" für die Kinderheilkunde erhöhen könnten, die Aufmerksamkeit - und das Bewusstsein dafür, dass die Behandlung kranker Kinder etwas völlig anderes ist als die von Erwachsenen, vor allem: kaum in Abrechnungs-Gruppen zu fassen, weshalb Pädiatrie selten ein Geschäft sein kann.

Die Kinder sind inzwischen durch mit dem Parcours: Evelins Husten scheint heilbar, die Bauchschmerzen von Seledims Teddy werden abklingen, und auch alle anderen Bären, Vögel, Esel, Hunde, Plastikmenschlein haben die Untersuchung überlebt und werden wieder gesund. In der Apotheke gibt's ein Medikament oder ein Stück Apfel, danach für die Kinder eine Tapferkeitsurkunde und Traubenzucker.

Sie sind jetzt, und das deutet den Erfolg der Aktion schon an, nicht mehr so schüchtern still wie am Anfang, sondern haben den Klinik-Besuch als eine Art Spiel angenommen. Die jungen Mediziner hingegen müssen an ihren Fähigkeiten offenbar noch arbeiten: Antonias Huhn hat für sein gebrochenes Bein eine Salbe verschrieben bekommen. Das wäre sogar bei einer Nudelallergie deutlich untertherapiert.

© SZ vom 03.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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