Abriss:Auszug ins Ungewisse

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Marode, aber günstig: Die Wohnanlage an der Pasinger Nimmerfallstraße soll einem Neubau weichen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Mieter der maroden Blocks an der Pasinger Nimmerfallstraße müssen auf Wohnungssuche gehen. Der Immobilienkonzern GBW will die Anlage abreißen und bis zum Jahr 2021 dort 76 neue Apartments errichten

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Wir modernisieren niemanden aus den Wohnungen raus", hatte Claus Lehner Ende Januar dieses Jahres im SZ-Interview erklärt. Lehner ist Vorsitzender der Geschäftsführung der GBW-Gruppe, das Logo der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft ziert auch den Kopf des Briefes, den Josef Kinder am vergangenen Dienstag erhalten hat. Darin wird dem Mieter der Anlage an der Pasinger Nimmerfallstraße mit Bedauern mitgeteilt, dass es keine Alternative gebe zu einem "Umzug". Bis Ende November soll sich Kinder bei einer GBW-Mitarbeiterin melden. In persönlichen Gesprächen und im Benehmen mit dem städtischen Wohnungsamt werde das Unternehmen alles daran setzen, für ihn eine andere Wohnung zu finden. Kinder muss also raus.

Die GBW hat sich dazu entschlossen, die maroden Mietskasernen aus den Fünfzigerjahren, in der die Mieten noch deutlich unter zehn Euro pro Quadratmeter liegen, abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Bis Ende 2021 sollen 76 neue Wohnungen errichtet werden, 26 davon barrierefrei. "Wir schaffen mit dem Ersatzneubau über 2700 Quadratmeter mehr Wohnfläche und wirken der Wohnungsnot in München entgegen", teilte am Dienstag Sebastian Gefeller, Mitglied der Geschäftsführung bei der GBW-Gruppe, in einer Presseerklärung mit. Es handle sich vornehmlich um Wohnungen, die für Familien geeignet seien. Ob die neuen Apartments auch geeignet, sprich bezahlbar sind für die Mieter, die die sanierungsbedürftigen Wohnungen verlassen müssen, lässt Gefeller in der Mitteilung offen. Auch im Schreiben, das Josef Kinder erhalten hat, ist nicht die Rede davon, ob und wann es eine Option zur Rückkehr an die Nimmerfallstraße gibt. Ihm wird nur mitgeteilt, dass man ihn mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bei der Wohnungssuche unterstützen und dabei auf seine persönlichen Wünsche und finanzielle Situation eingehen werde.

Seit dem vergangenen April hätten die Mieter an der Nimmerfallstraße auf Kohlen gesessen, erzählt Kinder. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Entscheidung bei der GBW fallen, ob das Objekt, das nicht weit vom Pasinger Bahnhof liegt, nun renoviert oder abgerissen wird. Vorausgegangen war ein Verkaufsversuch über die Köpfe der Mieterschaft hinweg, der die GBW in die Schlagzeilen brachte. Das ehemalige landeseigene Unternehmen, das 2013 von der Bayerischen Landesbank an eine privates Konsortium verkauft worden war, wollte die Pasinger Anlage verkaufen. Zunächst erging ein Angebot an die Landeshauptstadt, die aber keine 25 Millionen, sondern nur 18 Millionen Euro für die 75 Wohnungen zahlen wollte. Die GBW senkte den Preis auf 22 Millionen, die aber sofort zu zahlen seien. Im Gegenzug werde sie in der Wohnanlage innerhalb von zwei Jahren "sozialverträglich" für den Auszug der Mieter sorgen. Für die dann freien Wohnungen solle die Stadt noch einmal drei Millionen bezahlen. Die Stadt lehnte brüsk ab, die GBW kündigte an, die Wohnungen einem anderem Investor anzubieten. Nachdem der Fall öffentlich geworden war, wurde noch einmal mit dem städtischen Kommunalreferat verhandelt, ohne dass es zu einer Einigung kam. Immerhin hat die GBW bislang vom Verkauf abgesehen und will den Neubau selbst angehen.

Josef Kinder will nun versuchen, sich mit anderen Betroffenen zu einer Mietergemeinschaft zu formieren. Dazu rät ihm auch Willy Schneider vom Münchner Mieterbeirat. Keinesfalls sollten die Bewohner der Nimmerfallstraße individuell mit der GBW verhandeln, sondern eine Informationsveranstaltung fordern, in der das Unternehmen alle Pläne offenlegen soll. Zu dieser Versammlung, so Schneider, sollten die Bewohner unbedingt auch Vertreter der Münchner Mietervereine bitten.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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