50 Jahre Neuperlach:Wie eine kleine Stadt vor der großen Stadt

Wieder wegzuziehen aus Neuperlach, das wäre ihm nie eingefallen. Von der elterlichen Wohnung zog er bald in eine "Junggesellenbude" am Annette-Kolb-Anger. Seine dritte Wohnung in Neuperlach schließlich war die, in der er noch heute mit seiner Frau Ursula lebt: von der U-Bahn-Station Neuperlach-Zentrum einmal über den Hanns-Seidel-Platz. Die ewige Brache, auf der einst Schafe grasten und Zirkusse gastierten. Rupprecht holt ein Fotoalbum, in dem er die Entwicklung des Viertels dokumentiert hat, und zeigt ein Lieblingsfoto: Elefant vor Hochhäusern. Heute parken Autos auf dem Platz, in der Zukunft sollen dort Wohnungen und ein lebendiges Stadtteilzentrum entstehen.

15 Jahre saß der SPD-Mann Rupprecht im Bezirksausschuss, heute engagiert er sich als Vorsitzender des Verwaltungsbeirats für die Eigentümergemeinschaft der 200 Wohnungen in der Anlage. Morgens geht er rüber in sein Büro, mit Aktentasche, "er ist immer am Arbeiten", sagt seine Frau Ursula.

Grundsteinlegung von Neuperlach jährt sich heuer zum 50. Mal.

Wolfgang und Ursula Rupprecht auf ihrem Balkon im elften Stock.

(Foto: Florian Peljak)

Sein Büro, das ist eine kleine Zweitwohnung, die sie 2008 gekauft haben, im selben Stockwerk, er muss nur einmal über den grünen, schalldämpfenden Teppichboden im Treppenhaus. Und wenn Verwandte während des Oktoberfestes Unterschlupf in München suchen, finden sie ihn hier. In 20 Minuten sind sie mit der U-Bahn an der Theresienwiese.

Einen Kilometer entfernt, in der Albert-Schweitzer-Straße, wohnt Johanna Mallue. Natürlich kennt sie die Rupprechts, "es sind ja immer die gleichen, die sich engagieren". Die sich in den Anfangszeiten zusammenschlossen, um für Verbesserungen im Viertel zu kämpfen. Auch bei Mallue, einer zackigen Frau von 72 Jahren, geht es als erstes auf den Balkon, bevor sie im Wohnzimmer Kuchen serviert. "Ich muss das Perlach immer verteidigen", das stellt auch Mallue gleich klar. Natürlich gebe es Probleme im Viertel, "aber wo gibt's die nicht?" Wer schimpft, findet sie, "hat sich nicht ordentlich informiert".

Eine Wohnung in Haidhausen hatten sie gehabt, ihr Mann und sie, so eine Wohnung, um die sich heute alle reißen, Altbau, 3,20 Meter hohe Räume, aber eben: Ofenheizung. "Wir haben uns damals gesagt, frischere Luft und eine Wohnung mit Heizung, das wär' schon was." Mit ihrer damals vierjährigen Tochter gehörten sie ebenfalls zu den Ersteinzüglern in der neuen Trabantenstadt. Erst im Haus nebenan, ab 1988 dann in der jetzigen Wohnung: siebte Etage, 115 Quadratmeter plus zwei riesige Terrassen.

20 Jahre in der Riemer Einflugschneise

Klar, am Anfang war das Viertel eine ewige Baustelle, dazu kam der Flugverkehr, mehr als 20 Jahre lang wohnten sie noch in der Einflugschneise des Flughafens in Riem. Aber wie der Wohnungsbaukonzern Neue Heimat und die Stadt das Viertel geplant haben, dafür findet sie nur lobende Worte. Wenige Monate nach dem Einzug war auch schon die Schule fertig. Um dort hinzukommen, mussten die Kinder nie die Straße überqueren, es gab Unterführungen und Brücken.

Mit ihrem Mann hat Johanna Mallue fast die ganze Welt bereist. Ihre Wohnung erzählt Dutzende Geschichten davon. Sie sind immer gern zurückgekommen in ihr Neuperlach, von der Autobahn aus sah es jedes Mal aus wie ein Klein-Chicago. Eine kleine Stadt am Rand der großen Stadt.

Grundsteinlegung von Neuperlach jährt sich heuer zum 50. Mal.

Johanna Mallue wohnt seit fast 50 Jahren in Neuperlach.

(Foto: Florian Peljak)
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