Sendling-Westpark:Trügerische Prognose

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In der Bürgerversammlung für Sendling-Westpark wird klar, dass auch nach der Eröffnung des Luise-Kiesselbach-Tunnels der Verkehr viele Probleme schafft - die meisten Anträge beziehen sich darauf

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Seit mehr als drei Jahren schon rollt die Autolawine des Mittleren Rings, der einst das Stadtviertel brutal zerschnitt, größtenteils unterirdisch dahin. Die Menschen an der Oberfläche atmeten zwar auf, aber der Verkehr macht ihnen nach wie vor zu schaffen. Wie sehr, wurde am Donnerstagabend bei der Bürgerversammlung deutlich. Die meisten der knapp 40 Anträge, welche die etwa 250 Bürgerinnen und Bürger in der Dreifachturnhalle an der Gaißacher Straße stellten, drehten sich um den Verkehr. Günter Keller (SPD), der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Sendling-Westpark, hatte in seinem Rechenschaftsbericht zu Beginn der Versammlung erläutert, wie sich das Leben an der Oberfläche verändert hat, seitdem der Luise-Kiesselbach-Tunnel eröffnet wurde. Für viele Anwohner habe sich "durch wesentlich reduzierten Lärm und weniger Schadstoffe die Situation deutlich verbessert".

An anderer Stelle seien die Belastungen jedoch immer noch spürbar, denn die Verkehrsprognose von 1999, wonach der Stau auf der Garmischer Autobahn verschwinden werde, sobald der Tunnel fertig sei, habe sich als Trugschluss erwiesen. Die Anwohner der Einhorn- und der Südparkallee fragten sich mittlerweile, "ob sie da vielleicht etwas falsch verstanden haben". Immerhin sei es gelungen, gegen den anfänglichen Widerstand des Freistaats auf der Garmischer Autobahn auch stadtauswärts bis zum Kreuzhof Tempo 60 durchzusetzen.

Wie viel aus Sicht der Bürger in Sachen Verkehr weiterhin zu tun ist, wurde dann anhand der Anträge deutlich. Für den Wunsch, Tempo 30 auf Abschnitten der stark befahrenen Passauerstraße und auch der Siegenburger Straße anzuordnen, gab es ebenso eine Mehrheit wie für den Ruf, die Pilsensee- und auch die Heckenstallerstraße nur noch für Anlieger zu öffnen oder aber letztere gleich ganz als Spielstraße zu widmen. Für das Neubaugebiet am Distelhof- und Bauernbräuweg wurde, speziell im Kreuzungsbereich, eine Verkehrsberuhigung gefordert. Richtig gefährlich ist es auf all diesen Straßen nicht, wie aus dem Bericht von Polizeioberrat Christian Wittstadt von der Polizeiinspektion 15 an der Treffauer Straße deutlich wurde. Die Unfallzahlen seien im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen, und es habe auch glücklicherweise keinen einzigen tödlichen Unfall gegeben. Probleme hätten sich jedoch an der Hochpromenade an der Garmischer Straße ergeben, dort habe es wegen der eingeschränkten Sicht durch die Betonwände ein paar Mal gekracht. Bis die Sichtbeziehungen optimiert würden, gelte dort Tempo 30. Aber nicht nur der Autoverkehr stand bei der Versammlung im Fokus. Zwei Anträge nahmen die Probleme ins Visier, die vom Zug- und S-Bahn-Verkehr ausgehen. Ernst Bohr, der am Distelbräuweg wohnt, beantragte wie im Vorjahr, dass es der Deutschen Bahn AG verboten werden solle, S-Bahn-Züge dort abzustellen und zu warten, was gerade nachts sehr laut sei. Zudem solle die Bahn die Gleise nicht für besonders lärmende Verladearbeiten nutzen. Beide Anträge fanden eine deutliche Mehrheit, was CSU-Stadtrat Marian Offman, der die Versammlung leitete, zu der ironischen Bemerkung verleitete: "Die DB wird beeindruckt sein."

Wenig Entgegenkommen zeigte die Bahn bisher auch für den schon in Vorjahren vorgetragenen Bürgerwunsch nach einem zweiten barrierefreien Zugang am S-Bahnhof Mittersendling, der auch diesmal eine breite Mehrheit fand. Ein Vertreter des Planungsreferats sagte, der Stadtrat werde sich demnächst mit diesem Problem befassen - auch wenn die Stadt dafür eigentlich nicht zuständig sei.

Bewegung kommt offenbar auch in eine andere Sache, welche die Versammlung ebenso fast einstimmig unterstützte - den Bau einer Sichtschutzwand am Max-Seidl-Weg. Sebastian Uhl, der mit dieser Forderung schon im Bezirksausschuss vorstellig geworden war, verdeutlichte mit Skizzen und Fotos, wie sehr die Anwohner dort unter den etwa 23 000 Autos leiden, die aus dem Tunnel an die Oberfläche kommen, um dann entlang des Luise-Kiesselbach-Platzes Richtung Garmischer Autobahn zu fahren. Der zuständige Sachbearbeiter aus dem Baureferat versicherte, man werde sich eine Lösung überlegen, zum Beispiel eine Sichtschutzwand mit "einem gewissen Lärmschutz".

Klare Mehrheiten gab es auch für den Wunsch, die U 6 auch dann über den Harras zum Marienplatz rollen zu lassen, wenn es irgendwann einmal eine U 9 in Nord-Süd-Richtung geben sollte, die von der Dietlinden- bis zur Implerstraße verlaufen soll. Und auch Richard Stahnsdorf, Seniorenvertreter im Viertel, setzte sich mit einem fast einstimmigen "Ja" durch - mit seiner Forderung, in den Münchenstift-Altenheimen eine zeitgemäße Palliativversorgung durchzusetzen sowie mit dem Wunsch, dass für Besucher des Waldfriedhofs ein Elektro-Fahrdienst angeboten werde. Knapp abgelehnt wurden zwei Anträge, die auf ein Verbot des privaten Silvester-Böllerns abzielten und forderten, die Stadt solle stattdessen ein paar wenige, zentrale Feuerwerke veranstalten.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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