Rettet die Bienen:Arten sterben im Hausgarten

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Martin Hänsel vom Bund Naturschutz empfiehlt als Gegenmittel Mut zum Wildwuchs

Interview von Fabian Huber, München

Das Ökosystem gerät ins Wanken. Viele Arten und Pflanzen drohen zu verschwinden - oder sind es längst. Das hat der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) nun in seinem Bericht bestätigt. Die Gründe sind vielfältig: Verstädterung, chemische Schadstoffe in der Landwirtschaft, Klimawandel. Was lässt sich im eigenen Wirkungskreis dagegen tun, etwa im Garten? Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer des Bund Naturschutz in München, klärt auf.

SZ: Herr Hänsel, wie ist es um die Artenvielfalt in München bestellt?

Martin Hänsel: Allgemein haben Städte ein hohes Potenzial für Vielfalt, aber das verschenken wir. Durch Nachverdichtung verlieren wir an Fläche und damit auch an Arten. Gleichzeitig sollen Gärten immer pflegeleichter werden. Sie werden immer kleiner und zum Teil bewusst so angelegt, dass da nichts mehr wächst, durch Steingärten zum Beispiel. Damit rauben wir Tieren und Pflanzen ihren Lebensraum.

Bremen will gegen solche Schotterwüsten vorgehen und verfügen, dass Außenflächen "zu begrünen und zu bepflanzen sind". Auf was sollten umweltbewusste Gartler noch achten?

Vor allem auf eine vielfältige Struktur. Von trocken bis feucht, von offen bis dicht. Hier ein Durchschlupf im Zaun für den Igel, dort Brutplätze für die Vögel. Und wer der Natur etwas Gutes tun will, überzeugt seine Kinder am besten auch, keine Hauskatzen zu halten. Das Gebiet der Stadt München entspricht in etwa dem Revier von nur drei männlichen Wildkatzen.

Bis zur Debatte übers Bienensterben fielen in der öffentlichen Wahrnehmung Tierarten unter den Tisch, die für unser Ökosystem elementar sind: die Insekten.

Wichtig ist, dass man ihnen Futter anbietet. Und zwar nicht nur den erwachsenen Tieren, also den schönen Schmetterlingen zum Beispiel, sondern auch ihren Vorläufern, den Raupen. Das, was im Gartencenter angeboten wird, ist dazu zum Großteil untauglich. Das sind oft exotische oder durch Züchtung derart veränderte Pflanzen, die die Tiere nicht als Nahrungsquelle annehmen. Am besten geeignet sind immer noch die ansässigen Wildpflanzen. Heutzutage gleicht das Garteln oft einem Kampf gegen die Natur. Wir mähen und spritzen, anstatt mit der Natur zu arbeiten.

Den Münchnern bleibt also nur, ihre Gärten wild wuchern zu lassen?

Natürlich muss man jetzt nicht alle Pflanzen rausrupfen. Es reicht, sich zu informieren und gezielt bestimmte Blüten oder Sträucher anzubieten. Natur und Pflege schließen sich nicht aus. Schauen Sie sich klassische Bauern- oder Barockgärten an. Eine Wiese, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht wird mit kurz gehaltenen Wegen dazwischen - das ist optisch reizvoll.

Mehr als 1,7 Millionen Bayern haben sich in Listen für ein Volksbegehren für Artenvielfalt und Naturschönheit eingetragen. Spüren Sie ein Umdenken in der Gesellschaft?

Wir spüren zunächst einmal ein starkes Interesse. Menschen rufen bei uns an und fragen, was sie tun können. Und dann ist da eine große Verunsicherung. Dabei ist es ganz einfach: ein bisschen informieren, ein bisschen kümmern. Und den ersten Blick nicht in den Katalog des Baumarkts, sondern in die freie Natur werfen.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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