Mieten:Der Berliner Wohngipfel hilft München nichts

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Das war der Gipfel: Kanzlerin Angela Merkel mit Finanzminister Olaf Scholz, Innenminister Horst Seehofer, Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller und dem saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (von links) auf dem Weg zur Pressekonferenz. (Foto: dpa)

Die Enttäuschung ist groß über die Ergebnisse des Treffens, das Mietsteigerungen in den Großstädten aufhalten sollte. Für die Münchner SPD der nächste Grund, die große Koalition in Frage zu stellen..

Von Dominik Hutter, München

Das war wohl nichts. Der Berliner Wohngipfel hat in München viel Enttäuschung ausgelöst. Da sei noch "sehr viel Luft nach oben", befindet Münchens SPD-Vorsitzende Claudia Tausend in eher diplomatischem Tonfall. CSU-Planungssprecher Walter Zöller spricht von "Déjà-vu-Erlebnissen" und davon, dass ja vieles Versprochene gut klinge, bei näherem Hinsehen aber deutlich zu niedrig dotiert sei. "Da fehlt der Mut", kritisiert Zöller. Viele der jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen habe es früher bereits gegeben, sie seien aber wieder abgeschafft worden. Und Beatrix Zurek, die Vorsitzende des Mietervereins, vermisst vor allem Instrumente, um auch die Bestandsmieten zu schützen. Natürlich seien der Bau neuer Wohnungen, der in Berlin ganz offenkundig im Vordergrund stand, und auch dessen finanzielle Förderung notwendig. Das helfe aber den Münchnern nicht, die bangten, ob sie demnächst ihre Miete noch zahlen können.

"Da ist nicht irgendetwas vereinbart worden, was uns in München auf absehbare Zeit hilft", ärgert sich Münchens SPD-Parteivize Roland Fischer. Vor allem beim Mietspiegel, der die ortsübliche Vergleichsmiete abbildet, müsse nachgebessert werden. Wenn bei diesem für die SPD immens wichtigen Punkt nichts geschehe, "sehe ich keinen Grund, warum wir in der großen Koalition in Berlin verbleiben sollen", warnt Fischer. Auch FDP-Stadtrat Michael Mattar hält die in Berlin getroffenen Abmachungen für völlig unpassend und unterfinanziert. "Das passt gar nicht nach München. Wir fördern letztlich den Wohnungsbau in der Oberpfalz, wo gar keine neuen Wohnungen benötigt werden."

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Beim Wohngipfel am Freitag hatten sich Vertreter von Politik und Wirtschaft auf einen Katalog an Maßnahmen verständigt, um die Mietsteigerungen in den Großstädten aufzuhalten. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) hatte anschließend von einem "starken Signal" gesprochen - eine Einschätzung, die in München offenkundig niemand unterschreiben will. Lob kommt lediglich für die Aufstockung der Förderung für den sozialen Wohnungsbau auf fünf Milliarden Euro bis 2021. Damit sollen bundesweit mehr als 100 000 neue Sozialwohnungen entstehen. Das honoriert auch die SPD, allerdings warnt Parteivize Fischer vor zu viel Euphorie. Die fünf Milliarden Euro bundesweit müsse man in Relation setzen zum kommunalen Programm "Wohnen in München VI", für das das Rathaus innerhalb von fünf Jahren etwa eine Milliarde Euro investiere. Insofern werde der Bundes-Obolus "uns nicht drastisch weiterbringen". Zurek schätzt, dass deutschlandweit 80 000 bis 100 000 neue Sozialwohnungen benötigt würden - allerdings pro Jahr und nicht etwa bis 2021.

Besonders enttäuscht sind SPD, Grüne und auch der Mieterverein beim Thema Mietspiegel. Dieses Zahlenwerk, das die ortsübliche Vergleichsmiete definiert, sei der "Dreh- und Angelpunkt", um Mietsteigerungen einzudämmen, betont Tausend. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete bildet die Obergrenze bei Mieterhöhungen; in neuen Mietverträgen (Neubauten ausgenommen) darf sie nur um bis zu zehn Prozent überschritten werden. Berechnet wird sie nach dem Durchschnitt neuer Mietverträge und von Mietanhebungen der vergangenen vier Jahre.

Der Berliner Wohngipfel hat vorgeschlagen, diesen Zeitraum auf sechs Jahre auszudehnen. Dies bedeutet faktisch eine leichte Absenkung der Ortsmiete, da auch ältere und damit meist preisgünstigere Verträge in die Rechnung einbezogen werden. Bei diesem Punkt sei "die Enttäuschung am größten", klagt SPD-Mann Fischer - der Zeitraum sei viel zu kurz gewählt. Grünen-Stadträtin Gülseren Demirel macht freilich die SPD für diesen Missstand mitverantwortlich. Es sei unverständlich, dass die SPD ihre Mitgliedschaft in der großen Koalition nicht nutze, um da "mehr rauszuholen". Ohne vernünftige Regelung beim Mietspiegel nütze eine Mietpreisbremse nur wenig.

Die SPD will die Modernisierungsumlage komplett abschaffen

Tausend, die auch Bundestagsabgeordnete ist, will an diesem Punkt unbedingt nachverhandeln. Die Münchner SPD fordert, dass zur Berechnung des Mietspiegels sämtliche Mieten herangezogen werden - auch wenn der Vertrag in den Sechzigerjahren abgeschlossen wurde, wenn es sich um Sozial- oder Genossenschaftswohnungen handelt oder auch um kommunale Bestände. Es sei nicht einzusehen, warum der Mietmarkt nur durch einen kleinen Ausschnitt repräsentiert werde.

Zudem will die SPD die Modernisierungsumlage komplett abschaffen, sie sei "generell systemfremd". Aktuell können Vermieter ihre Sanierungskosten zu elf Prozent pro Jahr auf den Mieter umlegen - ohne zeitliche Beschränkung. Der Wohngipfel hat am Freitag acht Prozent und eine Deckelung auf bis zu drei Euro pro Quadratmetmeter vorgeschlagen - dies entspricht einem Beschluss des Bundeskabinetts. Die Sozialdemokraten wollen zudem den zulässigen Mietanstieg auf zehn Prozent in fünf Jahren begrenzen. Derzeit schreibt die sogenannte Kappungsgrenze in München maximal 15 Prozent in drei Jahren vor.

Immerhin: Einer alten Forderung aus München will Berlin nun nachkommen. Der Wohngipfel regt an, Grundstücke des Bundes günstiger an Kommunen abzugeben. Das fordert das Rathaus schon lange - die Stadt hatte oft das Nachsehen, weil der Bund meistbietend verkauft hat.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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