Erinnerungen an Leo Kirch:Kirchs Kosmos

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Mit Charme, List und Diskretion regierte Leo Kirch sein Medienreich - und Uschi Glas regte er an, Helmut Kohl finanziell zu unterstützen: Acht persönliche Erinnerungen an den Münchner Unternehmer.

Mit Charme, List und Diskretion regierte er sein Medienreich: Persönliche Erinnerungen an den Münchner Unternehmer.

Leo Kirch ist am vergangenen Donnerstag gestorben. (Foto: dapd)

Barbara Schardt, 1993 bis 2000 Leo Kirchs persönliche Assistent in

"Wissen Sie, welchen Spitznamen ich in der Firma hatte?", fragt Barbara Schardt. "Das Grab", sagt sie - und schweigt beharrlich, wenn man versucht, ihr irgendeine persönliche Anekdote über ihren einstigen Chef zu entlocken.

Doch was viele Menschen außer Acht ließen bei Leo Kirch, dem Fernsehmann, sei seine "Leidenschaft für die klassische Musik". Nicht von ungefähr hat Carlos Kleiber zum 70. Geburtstag von Leo Kirch im Herkulessaal ein Konzert dirigiert. Kleiber, der prinzipiell nie Interviews gab, fühlte sich Kirch sehr verbunden.

Als Gründer der Klassik-Produktionsfirma Unitel hatte Kirch auch viele persönliche Kontakte mit Karl Böhm, Herbert von Karajan und Leonard Bernstein gepflegt. Aber von Barbara Schardt würde man dazu freilich nie einen Ton hören.

Susanne Hermanski

Leo Kirchs Vertraute
:Die Kinder des Medienpaten

Viele nannten ihn voller Ehrfurcht nur den "Alten": Leo Kirch war einer der einflussreichsten Medienunternehmer Deutschlands - seine Kirch-Gruppe hat viele deutsche Medienmanager hervorgebracht. Wer Kirch seine Karriere zu verdanken hat. Ein Überblick in Bildern.

Fred Kogel, Film- und Fernsehproduzent, unter Leo Kirch Geschäftsführer von Sat1

Fred Kogel (Foto: AP)

Fred Kogel war mit 31 gerade Unterhaltungschef beim ZDF geworden, er hatte Thomas Gottschalk zurück nach Mainz zu "Wetten, dass. . . ?" geholt. Kein Wunder, dass sich Kirch brennend für ihn interessierte und ihn in die Kardinal-Faulhaber-Straße einlud.

Kirchs Vertraute Joachim Theye und Jan Mojto saßen schon da für die Prüfung. "Kirch war extrem charmant, wenn er einen haben wollte - ein Menschenfänger", sagt Kogel. "Er hatte diese Art einen zu loben, bis man richtig fertig war." Im nächsten Satz kam das Angebot: "Ich will, dass Sie zu Sat1 kommen!"

Kogel hatte beim ZDF einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben, er wollte sich auf das Abenteuer nicht einlassen. Doch ein Jahr später rief Kirch wieder an: "Und, wann kommen Sie?" Als Kogel bereit war, zu Sat1 zu wechseln, war wiederum Kirch erstaunt: Kogel wollte nicht Programmchef werden, sondern Geschäftsführer, "dann habe ich wenigstens was zu sagen".

Im Sommer 1994 fuhr er in einem VW-Bus in der Kardinal-Faulhaber-Straße vor - mit Thomas Gottschalk, Harald Schmidt, Günther Jauch und Fritz Egner, "die habe ich alle am Flughafen ins Auto gepackt. Da war Leo mal platt." Mit Frankenwein aus dem Bocksbeutel wurde angestoßen: "Ihr kommt jetzt alle", sagte Kirch. Der einzige, der kniff und lieber bei RTL blieb, war Günther Jauch, "aber der Günther war ja schon immer ein wenig vorsichtig".

Christian Mayer

Karl Ederer, Münchner Gastronom mit einem Restaurant in den Fünf Höfen

Hausintern heißt das kleine Nebenzimmer auf der Empore von Karl Ederers Restaurant "Das Kirch-Stüberl". Leo Kirch war ein ebenso häufiger wie gern gesehener Gast. Nicht zuletzt, weil er oft interessante Gäste mitbrachte. Bei seinem letzten Besuch im "Ederer" zum Beispiel Maike Richter, die Ehefrau von Helmut Kohl. "Er hatte einen unglaublich trockenen fränkischen Humor", erzählt Ederer, "und Selbstironie obendrein".

Einmal lud Ederer Kirch spontan ein, "weil er so oft da war". Der Koch schrieb dazu eine kurze Notiz auf die Rechnung. Kirch rief ihn kurz danach von seinem Büro aus an, das vis-à-vis in der Kardinal-Faulhaber-Straße liegt: "Jetzt hab ich's mir vorlesen lassen - jetzt freut's mich auch."

Kirch, der infolge seiner Diabetes-Erkrankung fast blind war, hatte auch eine minimalistische Antwort auf die Frage, ob es ihm geschmeckt habe: "Hab nix anderes erwartet." Seit Kirchs Fußamputation waren die Besuche bei Ederer rar geworden, aber die Präsenz des ungewöhnlichen Gastes wird man dort noch lange spüren.

Wie erst vor wenigen Tagen. Da saß Robin Bartels, Geschäftsführer der Deutschen Bank München, an einem Tisch auf der Terrasse - und Dieter Hahn, der für Kirch erbittert im Rechtsstreit mit dem Geldinstitut liegt, nur ein paar Armlängen entfernt an einem anderen. Ob es beiden Herren an diesem Abend so richtig gut geschmeckt hat, ist nicht bekannt.

Susanne Hermanski

Erwin Huber, Ex-CSU-Vorsitzender, Ex-Medienminister

"Wenn ich das schon höre", sagt Erwin Huber. "Medienmogul, Medientycoon. Was der Kirch nicht alles gewesen sein soll. Dabei war er das Gegenteil davon. Er machte sein Geld im Showgeschäft, aber er selbst war der personifizierte Anti-Show-Effekt."

Als Huber als damaliger Staatskanzleichef und Medienminister das erste Mal in Kirchs Geschäftsräume in Unterföhring kam, da erwartete er Glas, Glanz, Glitzer. Was kam, war Mineralwasser. "Kirch hatte ein Büro, so bescheiden, dass jeder Sachbearbeiter geschluckt hätte." Champagner? Gar nicht dran zu denken. Großes Essen? Lieber ein Kaffee.

Und nie ließ Kirch die Phalanx seiner Manager aufmarschieren, mit Aktenköfferchen und Manschettenknöpfen. "Kirch empfing zu geschäftlichen Gesprächen fast immer allein", sagt Huber. "Da war nichts Pompöses. Meist trug er nicht mal Jackett." Eigentlich, sagt Huber, ist Kirch immer ein mittelständischer fränkischer Weinbauer geblieben.

Zumindest was das Arbeitsethos angeht. "Der war mit Leib und Seele Unternehmer, aber nicht um des Profits willen. Er wollte Erfolg. Man kann sich einen wie Kirch nicht auf einer Yacht im Mittelmeer vorstellen." Und selbst Hollywood, mit dem er so viele Geschäfte machte, war ihm persönlich fremd. "Eigentlich", sagt Huber, "war Hollywood ihm peinlich."

Annette Ramelsberger

Uschi Glas, Schauspielerin, spielte für Sat1 unter anderem die Hauptrolle in der Fernsehserie "Anna Maria - eine Frau geht ihren Weg"

Viele Menschen, die Leo Kirch nicht so gut kannten, hatten den Eindruck eines sehr zurückhaltenden, sehr kontrollierten Mannes. Die Schauspielerin Uschi Glas hat einen ganz anderen Leo Kirch erlebt: "Ich verdanke ihm viel, beruflich und privat. Er hat sich in kleinen Dingen sehr gefreut, er konnte herzlich lachen - auch beim Essen."

Einmal, es war Anfang der neunziger Jahre, saß Uschi Glas mit Kirch im Bogenhausener Hof, es war eine Art konspiratives Treffen, da Kirch wegen seiner Zucker-Erkrankung gar nicht deftig essen durfte. "Wir haben gebratene Blutwurst mit Apfelkompott gegessen, es war herrlich, weil es ihn an seine Heimat Franken erinnerte."

Verträge für Fernsehprojekte wurden bei ihm mit Handschlag besiegelt, es zählte allein sein Wort. "Mich hat auch beeindruckt, wie er sich um seine kranke Frau Ruth gekümmert hat, die ja unter den Folgen eines schlimmen Autounfalls litt." Jahrelang flog Kirch jeden Abend von weit entfernten Geschäftsterminen nach Hause, um bei ihr sein zu können.

Intensiv war auch die Freundschaft zu Helmut Kohl, der dem Medienunternehmer Jahrzehnte lang verbunden blieb: Als Leo Kirch nach der CDU-Spendenaffäre Geld bei alten Kohl-Freunden sammelte, damit der Altkanzler aus eigener Tasche die Strafzahlungen seiner Partei begleichen konnte, stand Kirch ihm bei. "Damals rief Leo bei mir an. Er fragte: ,Uschi, hast du Mut? Es geht um einen Freundschaftsdienst.' Also habe ich 10.000 Mark beigesteuert, obwohl ich wusste, dass die Medien mich in der Luft zerreißen werden."

Heute bedauert es Uschi Glas, dass Leo Kirch so viel Häme ertragen musste, als es mit seinen Geschäften und den vielfältigen Firmenbeteiligungen bergab ging und sein Reich zerfiel. "Ich habe da sehr mit ihm gelitten, das war eine regelrechte Hetze - ich konnte seine Gefühle gut nachvollziehen."

Christian Mayer

Jörg van Hooven, Chefredakteur von München tv

Als der Manager und Kirch-Intimus Georg Kofler den Journalisten Jörg van Hooven 1991 zum noch jungen Privatsender ProSieben nach Unterföhring holt, beginnt für den neuen Chefredakteur sofort eine Zeit des Zitterns.

Van Hooven möchte bei ProSieben neue Formate wie Talkshows und Wissenssendungen aufbauen und bekommt von Kirch erst mal eins übergebraten. "So wie Sie das machen wollen, wird das nicht funktionieren", sagte Kirch. Das war der Hammer", erinnert sich van Hooven. "Kirch wollte nur seine Filme und Serien abspielen, davon hatte er Unmengen im Archiv."

Er, van Hooven, sei aber davon überzeugt gewesen, dass "die Leute irgendwann Bonanza, Fury und Flipper nicht mehr sehen wollen". "Der Sender hatte aber keine Gesichter", sagt Jörg van Hooven, "deshalb setzte ich Arabella Kiesbauer mit der Talkshow Arabella ins Programm". Schon in der zweiten Woche habe die Einschaltquote deutlich über dem ProSieben-Schnitt gelegen.

Von da an war das Eis gebrochen. "Es war wirklich klasse: Wenn man Erfolg hatte, konnte man sehr gut mit ihm reden", sagt van Hooven. Kirch habe ihn in der Folgezeit immer wieder bestärkt. "Gegen seine Feinde war er kompromisslos, aber seine Leute hat er genauso kompromisslos unterstützt." Van Hooven erlebte den Patriarchen Kirch aber auch starrköpfig: "Wenn er falsch beraten wurde, gab's niemanden mehr, der ihn auf eine andere Schiene setzen konnte."

Michael Ruhland

Klaus Läßing, ehemaliger Bürgermeister in Unterföhring

Wenn Klaus Läßing, bis 2002 Bürgermeister in Unterföhring, an Leo Kirch denkt, dann nur "im Guten". Denn die Kommune am Stadtrand von München hat von dem großen Gewerbesteuerzahler profitiert - bis zur Pleite des Kirch-Imperiums im selben Jahr, als auch Läßing nach 18 Jahren sein Amt als Rathauschef abgegeben hat.

Durch den Bankrott des Medienunternehmens mit seiner ganzen Senderfamilie brachen die Gewerbesteuereinnahmen im finanzstarken Unterföhring kräftig ein. Davor war "unsere Zusammenarbeit immer partnerschaftlich", sagt Läßing. Leo Kirch sei durchaus umgänglich und vor allem zugänglich gewesen.

Der ehemalige Bürgermeister erinnert sich gerne an eine Begebenheit im Stadtpalais an der Kardinal-Faulhaber-Straße: Die Unterföhringer Schützen hätten als Ausrichter des Gauschießens einen ganz besonderen Preis ausloben wollen - ein Auto, das ein Sponsor stiften sollte. "Und was lag da näher, als den Kirch zu fragen?", erzählt Läßing. Gesagt, getan. Der Medienunternehmer überlegte nicht lange - und stellte den Schützen einen Kleinwagen vor ihr Vereinshaus.

Sabine Wejsada

© SZ vom 16.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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