Arbeiten am Flughafen München:Jobmotor - oder nicht?

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22.000 Arbeitsplätze bringt die dritte Startbahn, sagen die Verantwortlichen des Münchner Flughafens. Unsinn, entgegnet ein Wissenschaftler. Fachleute streiten sich darüber, ob das Projekt hält, was seine Befürworter versprechen.

Marco Völklein

Es ist die große Streitfrage beim Bürgerentscheid zur geplanten dritten Start- und Landebahn am Flughafen: Bringt das 1,2-Milliarden-Euro-Projekt neue Arbeitsplätze für den Großraum München? Wirkt der Flughafen also als "Jobmotor" - und muss deshalb die Piste gebaut werden?

Der Flughafen als Jobmotor? Durch die dritte Startbahn werden 11.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, sagt Flughafenchef Michael Kerkloh. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Flughafenchef Michael Kerkloh sagt: Ja, allein auf dem Airport-Gelände würden bis 2025 durch den Bau der dritten Startbahn 11.000 neue Jobs entstehen. Christian Magerl, Grünen-Abgeordneter und einer der engagiertesten Ausbaugegner, hält das für eine Mär: Ein Zusammenhang zwischen dem Entstehen neuer Jobs und einem Infrastrukturprojekt wie der dritten Startbahn sei nicht nachweisbar.

Um das zu belegen, haben die Grünen den Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen beauftragt, die Prognosen des Flughafens zu prüfen. Thießens Urteil fällt - wie erwartet - negativ aus: "Obwohl keinerlei Beweise vorliegen", so der Professor, behaupte der Flughafen stets, er habe "als Impulsgeber in der Metropolregion gewirkt".

Tatsächlich aber hätten die vom Flughafen beauftragten Gutachter bewusst einige Punkte bei der Berechnung der Effekte nicht berücksichtigt. So seien zwar Kaufkraft-Zuflüsse in die Prognosen eingerechnet, die etwa dadurch entstehen, dass Reisende nach München kommen und hier Geld ausgeben. Kaufkraft-Abflüsse aber, die im Gegenzug vorhanden sind, weil Münchner durch das zusätzliche Flugangebot vermehrt in andere Regionen reisen und dort Geld ausgeben, seien nicht berücksichtigt. "Flughäfen schaffen netto keine Arbeitsplätze, sie verdrängen nur andere", erklärte er.

Der Flughafen wies die Vorwürfe zurück und erklärte, die Gutachten entsprächen "dem Stand der Wissenschaft". Ähnliche Berechnungen hätten sich bei Auseinandersetzungen um andere Flughafen-Projekte bereits "als gerichtsfest" erwiesen.

Allein die Zahl der auf dem Airport-Areal Beschäftigten habe sich von 12.000 im Jahr 1992 auf nun 30.000 erhöht. Hinzu kämen zahlreiche Jobs im Flughafen-Umland. Selbst Bürgermeister vor Ort, die den Ausbau teils kritisch sehen, "bestreiten diese Entwicklung nicht", sagte ein Flughafensprecher.

In ihren Prognosen rechnen die Flughafen-Gutachter vor, dass zusätzlich zu den 11.000 Jobs, die direkt am Flughafen entstehen sollen, weitere 11.000 Arbeitsplätze im Umland geschaffen werden. Wirtschaftsverbände argumentieren zudem, durch die gute internationale Anbindung Münchens würden sich weitere Unternehmen ansiedeln.

Als Beispiel nannte IG-Metall-Chef Horst Lischka eine Gemeinschaftsfirma von BMW und Peugeot zur Entwicklung von Hybridantrieben, die im Münchner Norden 400 Stellen schaffen will - und die sich "auch wegen des Flughafens" für München entschieden habe, so Lischka: "Mit der dritten Startbahn werden wir Arbeitsplätze nach München ziehen, die wir heute noch gar nicht definieren können."

Genau das sei ja das Problem, entgegnen Magerl und Gegen-Gutachter Thießen: Der Zusammenhang werde zwar stets behauptet, aber nicht nachgewiesen. So habe Freising nach der Pleite von Müller-Brot seinen Spitzenplatz als Region mit der niedrigsten Erwerbslosenrate eingebüßt, erklärte Magerl. An der Spitze stehe nun Donauwörth. "Dort", so der Grüne, "gibt es nicht mal einen halben ICE-Anschluss."

© SZ vom 06.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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