852. Stadtgeburtstag von München:Die Party geht weiter

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Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr organisiert die Münchnerin Zehra Spindler auch 2010 wieder einen alternativen Stadtgeburtstag. Projektname: "München 852".

Beate Wild

Wer wissen will, was in der Münchner Popkulturszene so alles los ist, braucht einfach nur auf Twitter oder Facebook nachschauen. Flyer, Plakate, monatliche Stadtmagazine haben so gut wie ausgedient - alles viel zu langsam. "Es gibt nichts, was schneller Nachrichten verbreitet, als die Social-Media-Plattformen von heute", sagt Zehra Spindler. Und diese Frau muss es wissen.

Zehra Spindler organisiert den alternativen Stadtgeburstag "München 852" - virtuell im Netz und analog in der Brienner Straße 48. (Foto: Foto: Wild)

Die 41-jährige Veranstaltungsgeneratorin, wie sie sich selber nennt, vernetzt Münchner Künstler und hat im vergangenen Jahr Münchens alternativen Stadtgeburtstag erfunden. 2010 wird nun das 852. Jubiläum der Stadt gefeiert - und wieder zieht Zehra Spindler die Fäden.

Bereits 2009 hat Spindler für gehörigen Wirbel gesorgt. Nach den offiziellen Feierlichkeiten 2008 zu "850 Jahre München" rief sie das alternative Projekt "München 851" aus und bot Literaten, Musikern, DJs und Künstlern eine Plattform. Es war ein Experiment - und es glückte. Die Resonanz war so groß, dass der alternative Stadtgeburtstag in diesem Jahr in die zweite Runde geht. Und auch wie beim letzten Mal wird das Herzstück von "München 852", wie das Projekt heißt, wieder der virtuelle Raum sein.

Doch das Virtuelle ist nichts ohne das Analoge. Zehra Spindler sitzt im Schaufenster eines Ladenlokals in der Brienner Straße 48 und bearbeitet ihren Laptop. Sie twittert, beantwortet Emails, stellt Bilder und Videos auf ihre Webseite. Obwohl "München 852" gerade erst anläuft, gibt es schon viel zu tun. Netzwerken ist das A und O.

Aber da dies nicht nur via Netz passieren kann, sondern auch den persönlichen Kontakt unter den Menschen erfordert, hat Spindler ihrem Projekt eine Homebase gegeben. In der Muc852@Brienner48, wie das Ladenlokal in der Brienner Straße neben dem Volkstheater heißt, befindet sich die Schaltzentrale. Ab 1. März nimmt dort auch eine Tagesbar, betrieben von dem Münchner Kurator und Architekten Hajo Bahner, seinen regulären Betrieb auf. Ab Mittag kann dort jeder auf einen Kaffee oder einen Happen vorbeischauen. Künstler, die bei "852" mitmachen wollen, oder einfach nur interessierte Münchner. Jeder ist willkommen.

Während Spindler hier sitzt und über ihr neues Projekt plaudert, bearbeitet im Hintergrund Bildhauer Tilmann Krumrey eine überlebensgroße Skuptur. Es wird das Bildnis von "Kain und Abel", inspiriert vom sogannten Monomythos. Auch das ist neu in München: Ein Künstler, der vor den Augen aller sein Werk schafft. Ein fast meditatives Erlebnis: Während man Kaffee trinkt, formt Krumrey konzentriert an seiner Statue. Und wer Lust hat, parliert ein bisschen mit dem Künstler - über sein Werk, seine Ideen oder über den Bauhaus-Stil. Auch so etwas gehört zu "München 852".

Unter dem Label wird es auch in diesem Jahr wieder Lesungen, Vorträge, Diskussionsrunden, Ausstellungen, Konzerte und Partys geben. Die Eröffnungsfeier der Muc852@Brienner48 findet in Zusammenarbeit mit der Galeria Autonomica statt, die eine 48-Stunden-Ausstellung (vom 4. März, 18 Uhr, bis 6. März, 18 Uhr) organisiert. Während des Events wird es auch einen Live-Act (Beatboxer Elliot) und eine Nachtlesung (der bekannte Twitterer Jan-Uwe Fitz, twitter.com/Vergraemer) geben. Und im heutigen digitalen Zeitalter wird die ganze Veranstaltung selbstverständlich via Live-Stream im Netz übertragen.

Höhepunkt von "München 852" wird wieder der "Münchner Kulturbiergarten" sein. Im vergangenen Sommer fand dieser drei Wochen lang am Isartorplatz statt. "Heuer wird es wohl ein anderer Platz in der Innenstadt werden", sagt Spindler. Genaueres will sie noch nicht verraten, man sei noch in Verhandlungen mit der Stadt und dem Kulturreferat.

Da sich das Ganze auch irgendwie finanzieren muss, hat Spindler eine virtuelle Bank erfunden. "Mäzen-Bank", nennt die Veranstalterin diese Institution im Netz, über die Unternehmen die beteiligten Künstler sponsern können. "Die Firmen zahlen für alle sichtbar einen Betrag auf die Bank ein. Aus dem Topf werden dann Gelder für bestimmte Projekte entnommen", erklärt die 41-Jährige. Die Unternehmen hätten so die Möglichkeit im Netz präsent zu sein. Quasi eine neue Form von Public Relations, "PR 2.0". Wer spendet, kann, wenn er denn will, beispielsweise im München von "Second-Life" auftauchen, oder er ist auf den Social-Media-Plattformen präsent.

Im Ladenlokal "Werkstatt" in der Brienner Straße 48 arbeitet der Bildhauer Tilmann Krumrey an seiner Skulptur "Kain und Abel". (Foto: Foto: Wild)

Wer an "München 852" interessiert ist, ob als Künstler oder Sponsor, kann sich unter www.muenchen852.de oder http://twitter.com/zehra_852 melden. Schon jetzt ist die Resonanz groß. Am 11. März etwa gibt es im Theater i-camp (Entenbachstraße 37) die Lesung "Jour Fitz", bei der bekannte Münchner und Berliner Web2.0-Autoren lesen (einen Live-Stream dazu wird es auf www.sueddeutsche.de/muenchen geben). Ein weiteres Event, bei dem Zehra Spindler mitmischt, ist die Stroke 0.2, eine Messe für Urban Art, die von 27. bis 30. Mai in der Ex-Landesbank am Tucherpark stattfinden wird.

"Es kommen spannende Zeiten auf München zu, mit hoffentlich vielen neuen Projekten", sagt Spindler zuversichtlich. "851" hat schließlich schon so gut funktioniert, und in diesem Jahr soll alles noch größer werden. Sogar das Kulturreferat der Stadt München unterstützt "852" mit Begeisterung. Wer braucht da eigentlich noch offizielle Stadtgeburtstage?

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