Profil:Der Kümmerer

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Stephen Gerhard Stehli Pressebild (Foto: Rayk Weber/oH)

"Home is where the Dome is" - der CDU-Politiker und gebürtige New Yorker Stephen Gerhard Stehli hat dem Spitzenkandidaten der AfD das Direktmandat in Magdeburg Nord abgenommen.

Von Antonie Rietzschel

Als Reiner Haseloff am Sonntag mit Sambabeats und Gejohle auf der Wahlparty der CDU empfangen wird, steht am Rand ein rundlicher Mann, im karierten Anzug - lächelt und wartet. Darauf, dass der Ministerpräsident, der gerade bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt unfassbare 37 Prozent für die CDU geholt hat, auf der Bühne Fragen beantwortet. Dann geht Stephen Gerhard Stehli zu Haseloff und sagt: "Herr Ministerpräsident, ich habe für Sie Oliver Kirchner das Direktmandat abgenommen." Es klingt, als habe hier einer einfach seine Pflicht getan. Dabei ist dem 59-Jährigen an diesem Abend eine kleine Sensation gelungen. Die CDU holte sich 14 Wahlkreise zurück, die sie 2016 an die AfD verloren hatte. Stehli gewann in Magdeburg Nord mit 29,2 Prozent gegen den Fraktionschef und Spitzenkandidaten der AfD. Kirchner ist gebürtiger Magdeburger, wütet gegen Migranten und politische Eliten. Ausgerechnet er verlor gegen den Kosmopoliten und Beamten Stehli.

Die Eltern von Stephen Gerhard Stehli lebten im Harz, bevor sie 1950 das Passagierschiff SS United States bestiegen. Stehli wurde in New York geboren, in seiner Kindheit waren Italiener, Juden, Griechen und Schweden seine Nachbarn. Er spielte Baseball, naschte in der Eisdiele der Eltern. Schokoladeneis ist bis heute seine Lieblingssorte. Als er zwölf Jahre alt war, kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Menden, Sauerland statt New York, USA. Deutsche Provinz statt Millionenstadt.

Der Protestant Stehli besuchte eine katholische Schule. Nach dem Abitur studierte er Jura. Er hat in München und Bonn gelebt, in Genf und London. 1991 zog er nach Magdeburg, um als Referent in der Staatskanzlei zu arbeiten. Er erlebte die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche der Nachwendezeit, das Zusammenschrumpfen der einst so stolzen Chemieindustriestandorte in Sachsen-Anhalt, die Massenarbeitslosigkeit, die Unzufriedenheit, die der CDU schlechte Wahlergebnisse und der SPD den kurzen Aufstieg bescherte. Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Rot, Kenia - die Koalitionen änderten sich, Stehli wechselte als Jurist durch die Ministerien. Selbst in die Politik zu gehen, für diesen Schritt hat er sich erst wenige Jahre vor der Rente entschieden.

Es ist ja nicht so, dass er nichts zu tun gehabt hätte. Sein Job, das Engagement bei den Johannitern, in Kuratorien und Fördervereinen. Sein Herz hängt aber am Magdeburger Dom. Stehli ist ehrenamtlicher Prediger. Am Morgen vor der Wahl hat er noch eine Taufe vollzogen. "Home is where the Dom is", sagt Stehli und lacht. Im Gespräch rutschen ihm allerlei englische Wörter heraus, wenn er etwa von der "Neighbourhood" spricht, die nun nicht mehr so divers ist wie "back in New York". Doch in den vergangenen Jahren hat Stehli auch gelernt, "Machdeburg" zu sagen, wie die Einheimischen.

Der Konkurrent von der AfD hat sich für den Wahlkreis wenig interessiert

Fragt man Stehli, warum er sich bei der Wahl gegen Kirchner durchsetzen konnte, dann hakt er eine Reihe Faktoren ab, bis er auf sich selbst zu sprechen kommt. Da wäre Ministerpräsident Reiner Haseloff, dann die Angst vor der AfD. "Ich habe auch Stimmen von Menschen bekommen, die eigentlich überzeugte Grünen-Wähler sind." Genauso wie Haseloff hat sich Stehli im Wahlkampf klar gegen die AfD positioniert. Wenn ihm das jemand zum Vorwurf machte, sagte er: "Dann müssen Sie mich ja nicht wählen."

Häufig bekam Stehli außerdem zu hören, dass sich Oliver Kirchner nicht gut um den Wahlkreis kümmere. Stehli spendete Geld für den Märchenbrunnen, säuberte einen Spielplatz. Als Landtagsabgeordneter will er sich für ein besseres Verkehrskonzept in seinem Wahlkreis einsetzen. LKWs sollen die mittelständischen Betriebe problemfrei anfahren können - Radfahrer sich aber gleichzeitig sicher fühlen. Im Herbst fliegt Stehli erst mal nach New York. Wenn es gut läuft, wird er dann wissen, mit wem seine Partei koaliert.

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