Aktuelles Lexikon:Zerschnittenes Tischtuch

Seit dem Mittelalter Ausdruck eines dauerhaften Zerwürfnisses und derzeit eine aktuelle Frage beim FC Bayern.

Von Joachim Käppner

Kaum geht mal das eine oder andere Spiel verloren, wird aus dem Weltspitzen-Trainer, den man gestern holte, ein Low Performer, der des ruhmreichen Rekordmeisters unwürdig sei; zumindest in den Augen der berühmten Bayern-Bosse. Der Spieler Thomas Müller aber ließ immerhin wissen, zwischen Mannschaft und Trainer Thomas Tuchel sei "das Tischtuch nicht völlig zerschnitten". Das Zerschneiden des Tischtuchs - soweit ein solches vorhanden war - galt im Mittelalter als Ausdruck eines dauerhaften Zerwürfnisses, etwa zwischen Eheleuten. Zu Hofe bedeutete es Entehrung und Ausschluss aus der Gemeinschaft. So soll Württembergs Graf Eberhard, offenkundig nicht zu Unrecht "der Greiner" genannt, seinen Sohn Ulrich so gestraft haben, nachdem dieser die Schlacht bei Reutlingen 1377 gegen den Schwäbischen Städtebund bös vergeigt hatte. In den Worten des Dichters Ludwig Uhland: "Da faßt der Greis ein Messer, und spricht kein Wort dabei / Und schneidet zwischen Beiden das Tafeltuch entzwei." 1874 spottete der Kladderadatsch über Bismarcks Kampf gegen das katholische Zentrum: "Das Tischtuch ist zerschnitten, / Ihr wißt, wie das gemeint; / Nach ritterlichen Sitten / Nun sind wir ewig feind." Leider gibt die Geschichte keinen Aufschluss, was aus einem nicht völlig zerschnittenen Tischtuch folgt.

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