Frank-Walter Steinmeier:Posse und Popanz

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Es ist gut, dass der Bundespräsident eine aus den Fugen geratene Debatte per Telefonat beendet hat.

Kommentar von Nico Fried

Vermutlich hat Wolodimir Selenskij noch keine Ahnung davon, was jetzt auf ihn zukommt. Erst reiste lange keiner aus Deutschland nach Kiew, dann immerhin Friedrich Merz. Da war die Sache noch überschaubar. Jetzt hat der ukrainische Staatschef mit dem Bundespräsidenten telefoniert und damit wie ein Schienenwärter die Strecke freigegeben für Besuch aus Berlin: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat schon Reisepläne, Außenministerin Annalena Baerbock ebenfalls, Olaf Scholz vielleicht, Steinmeier selbst womöglich auch noch, was weiß man schon? Am Ende muss Selenskij womöglich noch Krethi und Plethi empfangen.

Es ist natürlich sehr zu begrüßen, dass nun ausgeräumt wurde, was man nach der Ausladung Frank-Walter Steinmeiers förmlich korrekt als diplomatische Irritationen bezeichnete, was sich dann aber in den Graubereich zwischen Posse und Popanz bewegte. Die Pole der ebenso intensiven wie völlig aus den Fugen geratenen Debatte bildeten einerseits das Diktum von Olaf Scholz, die Reisesperre für den Bundespräsidenten sei ein "Problem für das deutsche Volk", andererseits das vom ukrainischen Botschafter verbreitete Wort von der "beleidigten Leberwurst".

Die russischen Bombardements auf Gleise in der Ukraine dürften nicht nur die Reiseplanung der deutschen Politik erschweren. Sie erinnern auch daran, dass solche Besuche zwar eine gewisse symbolische Bedeutung und politische Berechtigung haben, es für den Ausgang des Krieges aber - mal ganz vorsichtig formuliert - zweitrangig ist, ob erst der Oppositionsführer und dann der Kanzler, oder erst die Außenministerin und dann die Bundestagspräsidentin anreisen. So ganz im Stillen mag der jüdische Präsident der Ukraine irgendwann sogar wünschen, dass die Deutschen zu seiner Unterstützung tatsächlich Krethi und Plethi schicken. Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs - Krether und Plether - beschreibt die Bibel nämlich als durchaus angesehene Soldaten aus der Leibwache am Hofe des Königs David.

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