Aktuelles Lexikon:Schmierentheater

Eine Bühne, die es eigentlich nur noch als Schimpfwort gibt.

Von Christine Dössel

Ein Schmierentheater, wie es GDL-Chef Claus Weselsky der Deutschen Bahn vorwirft, kommt weitgehend nur noch auf der politischen Bühne vor. Das richtige Theater ist viel zu professionell dafür. Und die Wanderbühnen oder "Schmieren" mit ihren billigen Stellagen und jahrmarktschreierischen Mitteln, auf die der Begriff sich im 19. Jahrhundert bezog, gibt es nicht mehr. Schmierentheater, das meint Theater auf unterstem Niveau: chargierende, grimassierende Darsteller - Schmierenkomödianten! -, oberflächliche Inszenierung, abgeschmackte Effekte, hanebüchene Wendungen, in der Hauptrolle: der Dilettantismus. Nachweisbar ist der Begriff seit dem 16. Jahrhundert, er wird auf das jiddische "simrah" (Gesang) zurückgeführt, aber auch mit "Zusammengeschmiertem" in Verbindung gebracht. Als Schimpfwort im Polittheater für alles grob Verzerrte geht der Begriff meistens mit einem noch verstärkenden Adjektiv einher: "unerträgliches", "erbärmliches", "unwürdiges" Schmierentheater. Aber es gibt auch einen Verteidiger des Metiers, den Theaterdirektor Striese, der in dem Stück "Der Raub der Sabinerinnen" von 1884 sagt: "Eine Schmiere, Herr Doktor, das ist ein Platz, ein Plätzchen, wo auf wenigen Quadratmetern mehr Hingebung verlangt und gegeben wird, als Sie es sich in Ihrem bürgerlichen Hochmut überhaupt vorstellen können."

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