Profil:Showtalent mit trauriger Geschichte

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(Foto: Ursula Düren/dpa)

Hans Peter Wilhelm Kerkeling kehrt ins deutsche Fernsehen zurück.

Von Claudia Tieschky

Hape Kerkeling ist der einzige deutsche Entertainer, der auch Bundespräsident werden könnte. Natürlich beherrscht er als Komiker herrlichen Quatsch, und natürlich ist er ein wunderbarer Moderator, wie ihn das Fernsehen seit seinem Bildschirm-Rückzug Ende 2014 nicht mehr hat. Dafür allein aber würde er vom Publikum nicht so geliebt. Nein, richtig in die Herzen der Leute ist Hans Peter Wilhelm Kerkeling mit jenem Teil seines Gesamtwerks gelangt, der von einem tiefen Ernst grundiert ist - mit den Büchern und Filmen über radikale Sinnsuche, Krisen und Verlust.

Auf irgendeine Weise schafft er es, dass er dabei natürlich von sich selber erzählt, aber mit großer Zugewandtheit auch von der Welt, wie sie nun mal ist, und deshalb eben von allen Menschen. Seit Hape Kerkeling seine Selbsterkundung auf dem Jakobsweg unter dem schnoddrigen Titel "Ich bin dann mal weg" in einem später verfilmten Bestseller verarbeitet hat und ein Millionenpublikum erreichte, konnte man in ihm ja sowieso schon eine Art weltlichen Seelsorger für alle sehen. Trotzdem gäbe es ein gewisses Problem, sollte Kerkeling je Bundespräsident werden - Treffen mit der niederländischen Königsfamilie würde es an Gravitas fehlen, weil viele Deutsche unweigerlich die Bilder im Kopf hätten, wie der junge Komiker Hape einst selbst als Königin Beatrix verkleidet ins Schloss Bellevue reinstürmte.

Als Performer traut man ihm alles zu, was im Fernsehen vermisst wird

Insofern ist es vielleicht vernünftig, dass der 56-Jährige vorerst lieber seine TV-Karriere wieder aufnimmt und die Phase als "Elder Stageman" beendet, wie er seine Fernsehabstinenz nannte. Am Montag hat RTL bekannt gegeben, dass Kerkeling 2022 die Hauptrolle in einer noch nicht näher beschriebenen Serie spielen und in zwei Unterhaltungssendungen auftreten soll. "Ich bin dann mal wieder da" lag da als Wortspiel sehr nahe, und ein bisschen stellte diese News sogar die vorige Woche verkündete Verpflichtung von Ex-Tagesschau-Sprecher Jan Hofer als RTL-Nachrichten-Anchor in den Schatten, der bei dem Privatsender gerade bei "Let's Dance" im Einsatz ist. Übrigens jene Show, deren erste beide Staffeln Hape Kerkeling zusammen mit Nazan Eckes unvergleichlich elegant moderiert hatte.

Es ist schon bemerkenswert, wie RTL da gerade auf ältere weiße Männer setzt. Kerkeling allerdings traut man als Performer tatsächlich alles zu, was im Fernsehen schmerzlich vermisst wird: Von der glamourösen, massenkompatiblen Samstagabend-Show (die Moderation von "Wetten, dass..?" hatte er 2011 ausgeschlagen), über Comedy bis zum intelligenten Talk etwa in der Tradition von Alfred Biolek, der wie er 1991 von Rosa von Praunheim zwangsgeoutet wurde. In den Jahren danach folgten die Produktionen, die Kerkeling zum Publikumsliebling machten. Und doch liegen wichtige Jahre zwischen seinem jetzigen Comeback und all den Engagements, an deren schierer Fülle allein man die harte Arbeit gut erkennen kann - "Hape trifft!", "Ein Mann, ein Fjord", Figurenschöpfungen wie der Taxifahrer Günther Warnke oder der Journalist Horst Schlämmer. Dann kam der Fernseh-Ausstieg Ende 2014, phasenweises Abtauchen aus der Öffentlichkeit, die innere Rückkehr in die Bergarbeitersiedlung Herten-Scherlebeck bei Recklinghausen, in die Kindheit eines pummeligen Jungen mit viel Showtalent und einer furchtbar traurigen Geschichte. "Es musste vielleicht einfach alles mal gesagt werden", schrieb er.

In seiner von Caroline Link verfilmten Autobiografie "Der Junge muss an die frische Luft" hat Kerkeling erzählt, wie sich seine depressive Mutter das Leben nahm. An dem Abend durfte er, hatte sie gesagt, so lange fernsehen, wie er wolle. Fernsehen ist etwas, das in die Zimmer der Menschen schaut. Das wissen Bundespräsidenten, Königinnen und ein paar wirklich große TV-Arbeiter. Meistens - aber nicht immer, wie Kerkeling bewiesen hat - sind diese Berufe nicht miteinander zu verwechseln.

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