Republik Moldau:Der lange Weg nach Westen

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Große Bühne für die kleine Republik. Der französische Präsident Emmanuel Macron mit Moldaus Präsidentin Maia Sandu bei einem Spaziergang durch die Hauptstadt Chisinău. (Foto: POOL/REUTERS)

Der Kriegsnachbar der Ukraine soll nun auch Beitrittskandidat werden. Dabei genießt Moldau längst die Aufmerksamkeit der EU und arbeitet an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Die Tür zur EU ist für die kleine Republik Moldau in den vergangenen Tagen ein bisschen aufgegangen. In Chișinău hat man kaum mehr einen Zweifel daran, dass - nach Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Mario Draghi sowie der EU-Kommission - nun auch die anderen EU-Mitglieder auf dem anstehenden Gipfel Ja sagen werden. Den Status als Beitrittskandidatin hat die Republik im Windschatten der Ukraine ergattert. Als potenziell nächstes Opfer Moskaus teilt Moldau das Schicksal der Ukrainer noch nicht. Aber das Nachbarland im Südwesten gilt als akut gefährdet, Putins Kriegspläne reichen bis weit in den Westen. Deshalb sind die ostentativ ausgestreckten Arme aus Brüssel vor allem ein Signal der Solidarität in Zeiten des Krieges, den es im Idealfall gemeinsam zu gewinnen gilt. Prompt hagelt es Drohungen aus Moskau, was zu erwarten war.

Die Parallelen zur Ukraine sind auch sonst kaum zu übersehen: Das Land ist arm und korrupt, von Oligarchen ausgeplündert und von mafiösen Strukturen unterwandert; ein Großteil der Bevölkerung sehnt sich nach finanzieller Unterstützung, aber auch nach mehr Rechtsstaatlichkeit. Es hat in Moldau keinen Maidan gegeben, die zivilgesellschaftlichen Strukturen sind schwächer ausgeprägt als in der Ukraine. Und es gibt in Transnistrien einen mit Russland verbündeten, abtrünnigen Landesteil, was einen EU-Beitritt bis zu einer politischen Lösung des separatistischen Problems de facto unmöglich macht. Aber: Präsidentin und Regierung in Moldau sind mit dem Versprechen gewählt worden, die Korruption zu beseitigen und die Justiz zu reformieren, und sie bemühen sich intensiv darum - immer bedroht von der Gegenoffensive einer postsowjetischen Elite.

Wöchentlich kommen aus Chișinău Meldungen, welcher Ex-Politiker wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen und bei welchem Oligarchen illegal erworbenes Vermögen beschlagnahmt wurde. Und man weiß nie genau, wer von diesen Wühlarbeiten mehr profitiert: die Regierung in ihrem Kampf um Reformen, oder die moskautreue Seite, die damit den Keil der Spaltung tiefer in die Gesellschaft treibt und Wut auf die Regierung schürt.

Putins Krieg beschleunigt die Reformen nur

Die Ukraine galt Jahre nach dem Maidan fast schon wieder als failed state, als gescheiterter Staat. Nun muss sie sich, im Angesicht der kollektiven Bedrohung, neu erfinden, neu organisieren. Moldau hingegen hat sich spätestens seit der Visa-Liberalisierung und dem Assoziierungsabkommen mit der EU schrittweise nach Westen bewegt. Die humanitäre Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge und hohe Kredite aus Brüssel zur Stabilisierung des Staatshaushalts haben gezeigt, dass Moldau bereits in die europäische Familie aufgenommen ist. Das Land genießt deutlich mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung als je zuvor. Die tiefe Krise, in welche Russland ganz Europa gestoßen hat, hat die Entwicklung nur beschleunigt.

Präsidentin Maia Sandu hatte auf die Kandidaten-Nachricht aus Brüssel mit einiger Untertreibung geantwortet, dass die Herausforderungen nun "komplex" seien. Das Ziel sei, im "Hafen europäischer Werte zu ankern". Das ist glaubwürdig. Der Rest wird dauern. Negativbeispiele liefern das benachbarte Rumänien und Bulgarien zuhauf. Seit ihrem Beitritt 2007 stehen sie unter permanenter Beobachtung und werden noch oft als Beispiel dafür herhalten müssen, warum Moldau kein geeigneter Partner ist. Aber auch diese beiden Länder sind, spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine, endgültig in der EU angekommen. Wladimir Putin hat ihnen jede Alternative versperrt.

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