Putins Pressekonferenz:Und, was passiert?

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Auf der jährlichen Bühne: Wladimir Putin am Donnerstag in Moskau. (Foto: EVGENIA NOVOZHENINA/REUTERS)

Wie immer großes Kino: Der russische Präsident spricht vier Stunden lang. Die wichtigste Frage beantwortet er nicht.

Kommentar von Sonja Zekri

Nach zweieinhalb Stunden Pressekonferenz mit Wladimir Putin stellt ein Journalist eine Frage, die sich offensichtlich aus dem Tag heraus entwickelt hatte. Sie drehte sich nicht um einen möglichen Krieg mit der Ukraine, nicht um Corona, nicht einmal um Nord Stream 2. Sondern um den russischen Weihnachtsmann. Wie der Präsident es mit "Ded Moros" halte, mit Väterchen Frost, fragte der Journalist. Woraufhin Putin erklärte, er sei dem Weihnachtsmann dankbar dafür, dass er den Posten habe, den er nun mal habe. Daraufhin explodierte das soziale Netz vor Lachen, wobei ein Russe eine harte Antwort auf Santa Claus forderte, der mit seinem Schlitten den russischen Luftraum überfliege.

Putins Pressekonferenz, die diesmal mit etwas mehr als vier Stunden das langjährige Mittel kaum überschritt, wäre albern, ein Karneval, mit all den Kleinstbetrachtungen zum Kunsthandwerk in der Republik Mari El und zu Stromausfällen in Burjatien - wäre dies nicht der Auftritt eines Präsidenten, der vielleicht bald mit einem Nachbarland im Krieg liegt. Dabei bewegte sich Putin in der Ukraine-Frage innerhalb seines aktuellen Drohniveaus. Nicht Russland müsse der Ukraine Sicherheitsgarantien geben, sondern die USA Russland, "und zwar sofort", schließlich stationiere Russland auch keine Raketen an der US-mexikanischen Grenze, obwohl es dort ebenfalls territoriale Konflikte gegeben habe, man denke an Texas oder an Kalifornien. Russland sei von der Nato "dreist getäuscht" worden: "Die Osterweiterung der Nato ist für Russland nicht hinnehmbar." Dass er zwischendurch beruhigende Töne einflocht, Gespräche mit den USA in Genf zu Jahresbeginn in Aussicht stellte, was er als "insgesamt durchaus positiv" beschrieb, verstärkte den Eindruck: Noch ist nichts entschieden, noch weiß wohl nicht einmal Putin selbst, was in der Ukraine passieren wird.

Wer sind eigentlich seine Partner? Und was hat er ihnen zu bieten?

Nüchtern betrachtet ist die gewaltsame Durchsetzung von Sicherheitsinteressen für eine Großmacht nicht unüblich. Die wenigsten Großmächte verzichten in dieser Frage auf Zwang. In den wenigsten Fällen genügt Zwang allein. Gerade deshalb fällt auf, wie isoliert, einsam, ja, glanzlos jenes Russland war, das Wladimir Putin in diesen vier Stunden erstehen ließ. Besiegen lasse sich Russland nicht, so eines seiner zahlreichen Zitate, es könne nur von innen zersetzt werden. Aus Europa, aus dem Westen erwartet er nichts Gutes mehr. Aber wer sind dann Russlands Partner? Was hat es ihnen zu bieten?

In den wenigen kritischeren Fragen spürt man die Spannung zwischen dem Fortschrittsbedarf eines globalisierten Landes, und der Unmöglichkeit, diesem unter den gegebenen politischen Umständen gerecht zu werden. Theaterleute fürchteten um die Freiheit der Kunst? Künstler müssten ihre Grenzen kennen, so Putin, man wolle schließlich keine Anschläge wie auf die französische Karikaturenzeitschrift Charlie Hebdo. In Russlands Gefängnissen werde systematisch gefoltert? Das sei bedauerlicherweise in vielen Ländern der Fall. Dass sich die westliche Genderdebatte in Russland so unaufhaltsam ausbreite wie Corona, war schließlich eine seiner krasseren Pointen. Putins jährliche Show ist immer großes Kino, aber sie zeigt, dass man selbst in vier Stunden die Antwort auf die wichtigste Frage schuldig bleiben kann.

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