Ich hatte die wunderbarste Großmutter der Welt. Sie war sanft und tough, großzügig und streng zugleich. Das Wesentliche, also das, was wirklich zählt, hat sie (gemeinsam mit meiner Mutter) in mir angelegt. Dazu gehört die Überzeugung meiner Großmutter, dass schlechte Laune nichts anderes als ein Akt der Unhöflichkeit sei. Wer krank war, sich ein Knie aufgeschlagen oder den Fuß verknackst hatte, wurde liebevoll umsorgt und gepflegt. Wer Kummer hatte, richtigen Kummer oder Heimweh, wurde getröstet und eingehüllt in Zuwendung. Aber wenn man einfach nur maulig war, das duldete meine Großmutter nicht. Dann nahm sie einen wie ein bockiges Kätzchen am Nacken und setzte einen vor die Tür mit den Worten: "Ich glaub', du brauchst mal ein bisschen frische Luft. Wenn es dir wieder besser geht, kannst du wieder reinkommen." Und schwupp, saß man draußen. Meistens vergaß ich recht schnell, warum ich vor die Tür geschickt worden war, meistens verschwand auch das selbstmitleidige Grollen schnell, und so kam ich nach einer Weile des Herumtobens ausgesprochen vergnügt und müde wieder zurück.
Proteste:Schluss mit schlechter Laune
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Es ist ein Akt der Unhöflichkeit, sein Missvergnügen an anderen Menschen auszulassen. Das gilt auch für die politische Öffentlichkeit: Angst und Wut dürfen nicht zum Selbstzweck werden.
Kolumne von Carolin Emcke
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