Krieg in der Ukraine:Melnyks Erziehungsversuche

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Der ukrainische Botschafter erklärt den sächsischen Ministerpräsidenten zur unerwünschten Person und trägt so zur Solidarisierung mit einem Putin-Apologeten bei. Besser wäre es, würde Kretschmer sich die zerstörten Städte der Ukraine tatsächlich anschauen.

Von Stefan Kornelius

Andrij Melnyk bleiben noch etwa sechs Wochen bis zu seinem Abschied als Botschafter der Ukraine in Deutschland - genug Zeit, um der Politik die von ihm ersonnene Doppelstrategie aus Zuckerbrot und Peitsche noch ein bisschen angedeihen zu lassen. Erziehungspädagogisch spielt Melnyk den strafenden Vater, der seine Gunst entzieht. Wie wenig er mit dieser Methode erreicht hat, ist seit der Steinmeier-Kontroverse, den Waffendebatten und der beleidigten Leberwurst bekannt. Nun fügt der Aktivist Melnyk seiner Botschafterkarriere ein Abschlusskapitel hinzu, indem er den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zum Märtyrer aller Russlandapologeten macht.

Melnyk lädt Kretschmer von einer Reise in die Ukraine wieder aus, zu der er zuvor eingeladen hatte. Ob Kretschmer überhaupt fahren wollte, ist gar nicht bekannt. Melnyk wollte also lediglich kundtun, dass er Kretschmers Gerede von Waffenstillstand und Verhandlungen für unerträglich hält. Kretschmer wiederum ist seit Langem bekannt dafür, dass er entgegen seiner Partei enorm viel Verständnis für Russlands Krieg aufbringt und eine naive Vorstellung von einem verhandelbaren Kriegsende pflegt. Mögen ein paar SPD-Linke und auch Kretschmer noch so oft nach Verhandlungen rufen: Da weder Russland noch die Ukraine verhandeln wollen und da sämtliche Ukraine-Unterstützer keinen Anlass für Zugeständnisse an Russland sehen, wird ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen.

Melnyks Erziehungsversuch ist also überflüssig und wird nebenbei gesagt exakt das gegenteilige Ziel erreichen. Indem er Kretschmer zur "unerwünschten Person" erklärt, verstärkt er nur die Solidarisierung mancher mit dem Ministerpräsidenten. Wirkungsvoller wäre es gewesen, Kretschmer als Besucher zu empfangen und ihn mit der Brutalität des Krieges zu konfrontieren. Vielleicht würde der prominenteste Putin-Versteher der Konservativen so seine Meinung ändern.

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