Linke:Knapp vor der Bedeutungslosigkeit

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Das Wahlergebnis in NRW zeigt, dass die Partei nur überleben wird, wenn sie einen radikalen Neuanfang wagt.

Kommentar von Boris Herrmann

Die Linke hat gerade einen Lauf - in eine Richtung, die geradewegs in die Bedeutungslosigkeit führt. Bei der Bundestagswahl schaffte es die Partei zumindest noch im Fotofinish über die Ziellinie. Bei den Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein scheiterte sie krachend an der Fünf-Prozent-Hürde. In Nordrhein-Westfalen wurde sie nun nicht einmal mehr mit einem eigenen dunkelroten Balken aufgeführt. Ihr Ergebnis verschwand in dem zusammengekehrten Rest der sonstigen Kleinstparteien. Die Linke führt nun das Leben der Anderen.

Spätestens jetzt erhärtet sich der Verdacht, dass die Wählerschaft der Linkspartei bei der vergangenen Bundestagswahl im Grunde einen Streich gespielt hat. Mit ihrem Zweitstimmenergebnis von 4,9 Prozent wäre sie schon damals aus dem Parlament geflogen, nur dank dreier Direktmandate rettete sie ihren Fraktionsstatus. Das wurde intern in mutwilliger Verkennung der dramatischen Lage als "Denkzettel" gedeutet, führte aber weder inhaltlich noch personell zu nennenswerten Kurskorrekturen. Partei- und Fraktionsspitzen dachten tatsächlich, sie könnten einfach so weitermachen wie bisher. Die NRW-Wahl dürfte nun auch dem Letzten vor Augen geführt haben, dass dies eine Fehleinschätzung war. Für die Linke wäre es wohl besser gewesen, sie hätte es 2021 gar nicht mehr in den Bundestag geschafft. Dann wäre sie bei ihrer unausweichlichen Radikalkur vielleicht schon ein paar Schritte weiter.

Wenn sich die Partei nicht selbst abschaffen will, dann muss sie jetzt komplett von vorne anfangen. Statt weiterhin flügelübergreifend alle möglichen Kompromisse zu schließen, an die sich dann eh keiner hält, sollte sie sich auf ihrem Parteitag im Juni so streiten wie noch nie. Dann aber auch ein klares, schlankes Programm beschließen und nur noch mit den Leuten weitermachen, die es aus Überzeugung mittragen. Im Zweifel wäre eine Spaltung weniger schmerzhaft als der gemeinsame Untergang im Chor der Vielstimmigkeit.

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