Kirchliches Strafrecht:Überfällig

Dem Leid der Betroffenen von sexuellem Missbrauch wird nun zumindest auf dem Papier besser Rechnung getragen.

Von Annette Zoch

Das war überfällig: Von Dezember an gilt sexuelle Gewalt gegen Kinder, Jugendliche oder Erwachsene im kirchlichen Strafrecht tatsächlich als Straftat - als Straftat gegen "Leben, Würde und Freiheit des Menschen". So steht es in der reformierten Fassung des Codex des Kanonischen Rechts, des katholischen Gesetzbuchs, das am Dienstag vorgestellt wurde. Dass dies im Jahr 2021 eine Neuigkeit ist, sagt viel aus darüber, wie die Kirche dieses Thema in der Vergangenheit behandelt hat und teilweise immer noch behandelt.

In den Blick nahm das Recht bisher stets nur den Mitbruder, der durch seine Tat bedauerlicherweise sein Zölibatsversprechen gebrochen hat. Nun wird sexueller Missbrauch - auch wenn dieser Begriff nie fällt - in eine Reihe gestellt mit Mord. Bisher habe ein falsches Verständnis von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auch "ein Klima übermäßiger Laxheit genährt", sagte Erzbischof Filippo Iannone, Leiter des Rates für die Gesetzestexte, bei der Vorstellung des Textes im Vatikan. Barmherzigkeit übte die Kirche in der Tat in erster Linie mit ihren eigenen Klerikern.

Dem Leid der Betroffenen wird nun zumindest auf dem Papier besser Rechnung getragen. Doch bleibt es dabei, dass Opfer in kirchlichen Verfahren weiterhin nicht als Nebenkläger auftreten können. Entscheidend wird auch sein, dass die Paragrafen nicht nur im Gesetzbuch stehen, sondern praktische Anwendung finden. Daran haperte es bisher - wie zuletzt die lange unbeantwortete Anzeige gegen Kardinal Woelki zeigte.

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