Föderalismus:Bloß kein Gerangel

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Nach der Flut: Eine Einwohnerin von Bad Neuenahr in den Trümmern ihrer Wohnung. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Nach dem Hochwasser stehen auch die Strukturen im Katastrophenschutz in der Kritik - dabei sind die gar nicht so schlecht. Und wenn es hart auf hart kommt, werden Behörden allein die Bürger ohnehin nicht schützen können.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Katastrophenschützer haben es nicht leicht in diesem Land. Selten fallen die komplexen Strukturen auf, mit denen Länder und Bund das Schlimmste verhindern wollen; schon weil die Mitte Europas vergleichsweise selten von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Wenn sie aber doch auffallen, dann ist meistens etwas schiefgelaufen. Dann heißt es schnell: Der Katastrophenschutz hat versagt. So auch jetzt. Und prompt wird die Forderung laut, der Bund müsse sich viel stärker einschalten. Aber macht das die Sache besser?

Naturkatastrophen, anders als eine Pandemie, entwickeln sich meistens regional. Die ersten Helfer am Ort des Geschehens sind Feuerwehren der Umgebung und Ärzte und Sanitäter der umliegenden Krankenhäuser. Katastrophen, das liegt in ihrer Natur, sind auch keine planbaren Ereignisse. Sie entwickeln sich rasch und kommen in ihrer Ausprägung und ihren Folgen meist überraschend. Wäre es anders, wären es ja keine Katastrophen. Weil all das so ist, legen sie auch alle Schwachstellen der Ersthilfe gnadenlos offen. Das entschuldigt diese Schwachstellen nicht, zumal angesichts so vieler Todesopfer. Es verlangt aber nicht grundlegend neue Strukturen.

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Denn im Prinzip ist der Katastrophenschutz hierzulande gut aufgebaut. Gerade, weil selten das ganze Land heimgesucht wird, organisieren zunächst Kreise und Länder die erste Reaktion. Sie kennen die Gegebenheiten, sie sind als Erste am Ort des Geschehens. Erst in einem zweiten Schritt kommt der Bund ins Spiel, koordinierend einerseits, mit der Bundeswehr und Technischem Hilfswerk andererseits. Diese föderale Aufgabenteilung ist buchstäblich geübte Praxis, und sie ist klar. Eine stärkere Verschränkung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern führt im Zweifel nur zu unklaren Kompetenzen. Und nichts ist im Falle einer Katastrophe lähmender, gefährlicher und überflüssiger als ein Gerangel, wer denn nun eigentlich das Sagen hat.

Die Strafe der Natur

Das heißt im Umkehrschluss allerdings auch: Diejenigen, die das Sagen haben, müssen am Ende die meiste Kritik einstecken. Ihnen werden viele der Fehler angelastet, die ein in dieser Form ungeahntes Ereignis wie die Flut zwangsläufig offenlegt. Die Aufarbeitung dieser Fehler läuft gerade erst an; sie verspricht viele Erfahrungen, von denen auch die Behörden profitieren können. Der Katastrophenschutz lernt nie aus.

Allerdings wird er, anders als der Name es nahelegt, auch eines nie können: die Bevölkerung vollständig vor allen Katastrophen schützen. Und das führt dann wieder zur undankbaren Rolle der Katastrophenschützer. Dass nämlich die Natur dieses wohlhabende, sichere Land so schrecklich strafen kann, ist aus dem Bewusstsein vieler Bürger verschwunden. Generationen lernten zu Zeiten des Kalten Krieges schon in der Schule, wie sie auf einen Bombenalarm reagieren müssen, und welches Sirenensignal was bedeutet. Was aber in Fällen extremer Hitze oder Niederschläge zu tun und zu lassen ist, oder wie sie sich warnen lassen können, das wird kaum irgendwo vermittelt - und das in Zeiten der Klimakrise.

Und auch das ist eine Lehre der Fluten: Wenn die Natur mit voller Wucht zuschlägt, dann kommen die besten Behörden und Katastrophenschützer der Welt zu spät. Dann ist erst einmal jeder auf sich selbst gestellt, kann jede falsche Reaktion tödlich sein. Viele Bundesbürger müssen erst lernen, mit dieser Wirklichkeit umzugehen.

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