Kambodscha-Tribunal:Das große Versagen

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Das letzte Urteil über die Verbrechen des Pol-Pot-Regimes ist bestätigt. Viele grausame Taten der Khmer Rouge bleiben aber ungesühnt.

Kommentar von Arne Perras

Saloth Sar, besser als Pol Pot oder "Bruder Nummer eins" bekannt, musste nie für seinen Massenmord in Kambodscha büßen. Für die Überlebenden seiner Terrorherrschaft und Angehörige der Opfer war das ungeheuer bitter. Denn Pol Pot hatte sein Ziel, Kambodscha radikal in eine klassenlose Bauerngesellschaft zu verwandeln, mit einer so gewaltigen Paranoia, Menschenverachtung und Brutalität vorangetrieben, dass er als einer der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts gelten muss. Sein politisches Werk besiegelte den Tod von Millionen, seine Herrschaft trug Züge eines Genozids und zeigte auf schockierende Weise, wie eine fehlgeleitete Utopie, geboren in den Köpfen von Intellektuellen, ein ganzes Land in einen so tiefen Abgrund reißen konnte. Bis heute hat sich das Land davon nicht erholt.

Zu spät, zu viel Korruption: Das Tribunal erfüllte seine gewaltige Aufgabe nicht

Das Kambodscha-Tribunal, das gerade sein letztes Urteil in Phnom Penh bestätigt hat, ist seiner gewaltigen Aufgabe - Gerechtigkeit und Sühne für die Opfer des Pol-Pot-Terrors - nicht gerecht geworden. Viel zu spät nahm es seine Arbeit auf, viel zu wenige Täter klagte es an. Korruption und politische Einmischungen lähmten oft die Arbeit eines Apparates, der ein gewagtes Experiment darstellte. Im sogenannten Hybrid-Tribunal arbeiteten internationale und einheimische Juristen zusammen. Manche wollten darin schon ein Modell erblicken, wie internationale Strafgerichtsbarkeit künftig funktionieren könnte. Aber es lief vieles schief, ein Vorbild wurde dieses Gericht nicht.

Man mag ihm dennoch gewisse symbolische Bedeutung nicht absprechen. Wer je das frühere Foltergefängnis Tuol Sleng besuchte, das als mahnender Ort an die Verbrechen der Khmer Rouge erinnert, wird jedes einzelne Urteil begrüßen, das überhaupt noch gegen Täter gesprochen wurde. Für manche Überlebende allerdings fühlt es sich anders an. Sie sagen: Späte Gerechtigkeit ist irgendwann gar keine Gerechtigkeit mehr. So gesehen spiegelt sich in diesem Tribunal ein großes Versagen. Die Straflosigkeit, sie hat wieder mal weitgehend gesiegt.

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