Israel:Wo ein Funke reicht

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Für Jerusalemer Verhältnisse ist nicht viel passiert beim diesjährigen Flaggenmarsch. Doch der nächste Krieg mit der Hamas ist nur vertagt, nicht abgesagt.

Kommentar von Peter Münch

Wenn in Jerusalem Rassisten durch die Stadt ziehen und "Tod den Arabern" skandieren, wenn es Krawalle gibt an vielen Ecken, mit Dutzenden Verletzten und Dutzenden Verhaftungen - dann heißt es dort: Es ist noch einmal gutgegangen. Keine Raketen sind geflogen, kein neuer Krieg ist ausgebrochen. Was will man mehr?

Der Jerusalemer Flaggenmarsch, der im vorigen Jahr den jüngsten Gaza-Krieg ausgelöst hatte und in diesem Jahr die schlimmsten Befürchtungen unterbot, ist ein anschauliches Beispiel für die schreckliche Routine dieses Konflikts. Zu erkennen ist dabei, wie eine seltsame Mischung aus Fanatismus und Fatalismus die Region immer wieder Richtung Abgrund treibt.

Die Radikalen auf beiden Seiten zeigen sich dabei als eingespieltes Team. Getrieben von den rechten Kräften genehmigt Israels Regierung eine Siegesparade zur Erinnerung an den Sechstagekrieg von 1967, die als ultimative Demütigung für die Besiegten inszeniert wird: mit Zehntausenden im nationalistischen Taumel, mitten durchs Damaskustor und das muslimische Viertel der Altstadt. Die palästinensische Hamas schreit Zeter und Mordio und droht vorab schon mit ihren Raketen. Für Israels Regierung gibt es da natürlich kein Zurück, denn das würde als Schwäche ausgelegt werden. Was dann passiert - ob ein einzelner Funke alles zur Explosion bringt -, das wird dem Schicksal überlassen.

Dieses Mal ist nicht viel passiert, für Jerusalemer Verhältnisse. Die national-religiösen Israelis sind weitgehend ungehindert marschiert und feiern nun ihren Tagessieg im arabischen Ostteil. Doch dies ist nur ein schaler Sieg, weil diese vermeintliche Demonstration der Souveränität über ganz Jerusalem in Wirklichkeit nur bewiesen hat, wo immer noch die Front verläuft in dieser Stadt. Die zynisch-zündelnde Hamas verkündet indes, dass die Rache für dieses Schauspiel zu gegebener Zeit folgen werde. Der nächste Krieg ist nicht abgesagt, sondern nur vertagt.

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