Islamkolleg in Osnabrück:"Symbolpolitik ist mir zu wenig"

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Längst zählt Bülent Uçar zu den anerkanntesten Islamgelehrten in Deutschland. (Foto: M. Popow via www.imago-images.de/imago images/Metodi Popow)

Das Islamkolleg Deutschland ist bundesweit das erste Seminar, an dem Imame ausgebildet werden - laut seinem Direktor Bülent Uçar war das "kein Selbstläufer".

Von Peter Burghardt

Natürlich freut sich Bülent Uçar, was soll er sagen. Das Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück wurde am Dienstag eröffnet, der habilitierte Islamwissenschaftler Uçar ist sein Direktor. Ein Signal für Gleichberechtigung und Anerkennung sei dies, heißt es, ein Meilenstein. "Der richtige Schritt", sagt der Muslim Uçar am Telefon. Aber für ihn soll das nur der Anfang sein.

Dieses IKD ist bundesweit das erste Seminar, an dem Imame in Zusammenarbeit mit islamisch-theologischen Instituten ausgebildet werden, finanziert vom deutschen Staat. 5,5 Millionen Euro zahlen der Bund und das Land Niedersachsen. Der Religionspädagoge Uçar, 44, hat viel dafür getan.

Geboren 1977 in Oberhausen, aufgewachsen im Ruhrpott, seine Eltern kamen aus der Türkei. In einem Beitrag zum Ramadan beschrieb Bülent Uçar mal, wie er schon als selbstbewusster Grundschüler fastete. Obwohl die Erwachsenen das nicht wollten, obwohl er tagsüber in der Hitze Fußball spielte und der Türkischlehrer riet, er solle auf die Toilette gehen und dort essen, dort sehe ihn Allah ja nicht. Tat er nicht. Er hielt durch.

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Später studierte Uçar Islamwissenschaften und Rechtswissenschaften in Bochum und Bonn. Titel seiner Doktorarbeit: "Recht als Mittel zur Reform von Religion und Gesellschaft: Die türkische Debatte um die Scharia und die Rechtsschulen im 20. Jahrhundert." Er arbeitete am Landesinstitut für Schule in Soest und im Düsseldorfer Kultusministerium, 2007 wurde er an den Lehrstuhl für Islamische Theologie der Universität Osnabrück berufen und dort 2008 zum Professor.

Längst zählt Bülent Uçar zu den anerkanntesten Islamgelehrten in Deutschland, modern, aufgeklärt, rhetorisch stark und bemüht um Verständigung. Er gründete das Zentrum für Interkulturelle Islamstudien, war beteiligt an der Islamkonferenz des Bundesinnenministers und ist einer der Mitgründer eines Begabtenförderungswerks für Muslime. 2015 verlieh ihm der damalige Bundespräsident Joachim Gauck das Verdienstkreuz am Bande für "seine Pionierarbeit im Bereich der Islamischen Religionspädagogik, einem für das Zusammenleben in der Bundesrepublik zentralen Bereich".

Sätze wie der, dass der Islam zu Deutschland gehöre, interessieren ihn weniger als Fakten

Es ist ein steter Kampf, und das nicht nur deshalb, weil weniger tolerante Muslime und rechte Kreise sein Engagement ablehnen. Auch dieses Islamkolleg Deutschland war "kein Selbstläufer", wie Bülent Uçar sagt. Davor standen etliche Gespräche mit Politikern, Bürokraten, muslimischen Verbänden.

Der türkische Verband Ditib macht nicht mit, Uçar hätte sich mehr Offenheit gewünscht. Andere Vereinigungen wie der Zentralrat der Muslime sind dabei. 35 Kollegiaten durchlaufen zunächst die Ausbildung, digital und mit Präsenz, die Aussichten auf Jobs sind bisher gering. Noch stammen die meisten der 2500 Imame in Deutschland aus dem Ausland, vornehmlich aus der Türkei. Die Moscheegemeinden bekommen von dort auch Geld, auf das die wenigsten von ihnen verzichten wollen.

Bülent Uçar fordert mehr Förderung der Moscheegemeinden durch die deutsche Politik. Sätze wie der, dass der Islam zu Deutschland gehöre, interessieren ihn weniger als Fakten. Er ahnt, dass dieses Kolleg auch deshalb als so symbolisch gilt, weil so alarmiert über den Islam diskutiert wird, nur: "Symbolpolitik ist mir zu wenig."

Er erinnert daran, dass die Kirche einer der größten Arbeitgeber in Deutschland sei. Dagegen gebe es häufig Unbehagen, wenn es um den Islam gehe, dabei lebten hierzulande seit 50 Jahre Muslime. "Sehr zurückhaltend und abwehrend" werde damit umgegangen, sagt Bülent Uçar. "Angst lähmt." Er verlangt mehr Gleichberechtigung und will auch nicht, dass das Islamkolleg ein Projekt bleibe, für vorerst fünf Jahre, sondern fest verankert werde. "Wir müssen dicke Bretter bohren", sagt er, er wird es weiter versuchen.

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