Universitäten:Ohne sie geht nichts

Lesezeit: 2 min

Rücktritt aus Protest: Sabine Kunst, bislang Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Forschung ohne billige Forschende mit Zeitverträgen? Bisher undenkbar. Leider. Das Land Berlin wollte das ändern, blieb aber auf halbem Weg stehen. Wie man das Problem nicht löst.

Kommentar von Roland Preuß

Forschende mit Zeitvertrag sind die Niedriglöhner deutscher Universitäten. Ohne sie wären die Institute an den Hochschulen nicht arbeitsfähig, die Lehre lückenhaft und all die schönen Projekte, für die man Hunderttausende an Fördergeld eingeworben hat, gar nicht möglich. Die Leute sind gut qualifiziert, meistens zumindest, und kosten nicht viel. Und wenn das Projekt vorbei ist, dürfen sie gehen oder auf den nächsten Zeitvertrag hoffen. So praktisch ist das - aus Sicht der Universitäten jedenfalls.

Das Problem der Kettenverträge für Wissenschaftler ist trotz mehrerer Anläufe des Gesetzgebers noch immer nicht erledigt. Das Land Berlin hat kürzlich vorgemacht, wie man die Aufgabe nicht löst, wie man trotz guten Willens sogar Schaden anrichten kann. Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, hat im Streit um Änderungen des Berliner Hochschulgesetzes nun ihren Rückzug angekündigt. Damit verliert die Hauptstadt eine weithin geschätzte Persönlichkeit - und lässt Zweifel aufkommen, ob die Hochschule ihren Status als Exzellenz-Universität halten kann.

Die Hochschulen sollen Doktoranden fest anstellen. Aber woher kommt das Geld dafür?

Die Novelle verlangt von den Hochschulen, dass sie Postdoktoranden fest anstellen müssen, wenn sie ein vereinbartes Ziel erreichen, bisher hatten die Institute da freie Hand. Kettenverträge sollen so zurückgedrängt werden. Das könnte funktionieren. Wenn ein Land den Universitäten solche Regeln vorgibt, dann muss es allerdings auch das nötige Geld spendieren für all die Stellen, die nun entstehen werden. Denn diese Stellen sind nicht mehr auf Niedriglohn-Niveau und sie bleiben viele Jahre erhalten. Will man weiterhin Spitzenforschung leisten und exzellente Leute nach Berlin holen, muss man also mehr Geld organisieren. Das aber konnte oder wollte man in Berlin nicht zusammenkratzen. Die Aufgabe wurde den Hochschulen vor die Füße gekippt. Während die Politik darauf verweisen kann, sie habe ja gehandelt.

Newsletter abonnieren
:Klimafreitag-Newsletter

Einmal pro Woche - immer freitags - schreiben SZ-Autorinnen und Autoren über Klimakrise, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Kostenlos anmelden.

Hinzu kommt die Art, wie die Klausel über die Hochschulen kam: Sie wurde kurzfristig in den Gesetzentwurf aufgenommen und von der rot-grün-roten Mehrheit in der Hauptstadt noch rasch vor der Wahl durchgesetzt. Ein sensibles Verfahren, das die Hochschulen einbindet, sieht anders aus. Dass die frühere Brandenburger SPD-Wissenschaftsministerin Kunst da der Frust befällt über den Berliner SPD-Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller ist da verständlich.

Es ist ein Fehler, dass Uni-Präsidentin Kunst ihren Abschied nimmt

Dennoch ist es ein Fehler, dass sich Sabine Kunst zum Ende des Jahres verabschieden will. In Berlin stellt sich gerade eine neue Regierung auf, zwar mit den alten Partnern SPD, Grüne und Linke, aber dennoch mit der Chance auf einen Neuanfang und auf eine Korrektur des strittigen Gesetzes. Michael Müller verabschiedet sich in den Bundestag, auch sein Staatssekretär Steffen Krach tritt ab. Es wird also eine neue Leitung im Wissenschaftsressort geben, neue Ansprechpartner, die sich womöglich nicht verpflichtet fühlen, eisern an diesem Gesetz festzuhalten - oder eben doch noch das nötige Geld nachschießen.

Für diese Aufgabe, etwas Besseres herauszuholen für die Universitäten, bringt Sabine Kunst das richtige Rüstzeug mit. Kunst war Präsidentin der Universität Potsdam, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, war Ministerin in Brandenburg und hat sich seit mehr als fünf Jahren in Berlin bewährt. Sie ist gut vernetzt und eloquent. An der Humboldt-Universität würde sie gerade jetzt besonders gebraucht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlimawandel
:Der ultimative Anstieg der Ozeane

Wissenschaftler haben die Folgen des Meeresspiegelanstiegs für die nächsten Jahrhunderte berechnet. Vor allem in Asien könnten zahlreiche Großstädte versinken, aber auch Deutschland wäre stark betroffen.

Von Benjamin von Brackel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: