Europäische Union:Der Möchtegern-Orbán

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Er darf jetzt turnusgemäß die EU führen: Janez Janša, 62, seit einem Jahr zum dritten Mal Ministerpräsident von Slowenien. (Foto: JOHANNA GERON/AFP)

Ein Rechtspopulist für sechs Monate an der Spitze der EU: Sloweniens Premier Janez Janša übernimmt den Ratsvorsitz. Er würde gern mitspielen im Konzert der großen, rechtsnationalen Reformer.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Der Slowene Janez Janša ist seit mehr als 30 Jahren in der Politik. Er war kommunistischer Jugendführer, Dissident, Unabhängigkeitskämpfer, Parteiführer - und ist nun zum dritten Mal Ministerpräsident seines kleinen Landes. Sein Hass auf Linke und Liberale, die er gern unter "Kommunisten" subsumiert, ist ebenso legendär wie seine Überzeugung, dass sich eine gierige slowenische Elite auch noch drei Jahrzehnte nach dem Ende des jugoslawischen Vielvölkerstaats in einem "Deep State" eingenistet habe. Die New York Times nennt ihn gefährlich, weil er "schwach und unpopulär" sei und sich deshalb ständig neue Feinde mache, die Financial Times bezeichnet ihn als euroskeptischen Hardliner, der dabei sei, die Gewaltenteilung auszuhebeln und die Medien zu kujonieren.

In Brüssel ist man zu Recht besorgt, weil Slowenien an diesem 1. Juli turnusmäßig für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Denn Janša dürfte jede Gelegenheit nutzen, sich als wichtiger Vertreter jener osteuropäischen Gruppe rechtsnationaler, EU-kritischer Kräfte zu präsentieren, die in dem Ungarn Viktor Orbán und dem Polen Mateusz Morawiecki zwei starke Repräsentanten hat. Er imitiert schon bisher seine Vorbilder, untergräbt, wo er kann, die Freiheit von Presse, Wissenschaft, Kunst und die Unabhängigkeit der Justiz. Und er stimmt in Brüssel regelmäßig mit den großen Nachbarn, die sich als Retter eines Europas christlicher Nationalstaaten gerieren, das vor "falschen ideologischen Interessen" (Orbán) geschützt werden müsse.

Vergleiche mit seinen Freunden in Budapest und Warschau hinken jedoch

Und doch hinken alle Vergleiche. Osteuropas Rechtspopulisten sind eine Truppe mit höchst unterschiedlichen Motiven und Talenten. Orbán schlägt derzeit politisch um sich, weil er durch den erzwungenen Rückzug aus der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) an Einfluss verloren hat, seine Pläne für eine neue, rechte Parteienfamilie nicht vorankommen und er seine Pfründen durch den EU-Rechtsstaatsmechanismus bedroht sieht. Aber als hochtalentierter Propagandist hält er seine Klientel mit Geldgeschenken und Steuernachlässen bei Laune und mobilisiert seine Basis mit nationalen Parolen gegen einen äußeren Feind, gegen Europa. Hoffnungen auf seine Abwahl im Frühjahr 2022 sind mindestens verfrüht.

Der Pole Morawiecki und seine Regierungspartei PiS haben die Unterwerfung der Justiz vorangetrieben und auch mithilfe von fundamentalistischen Organisationen wie "Ordo Iuris" Kirche und Staat auf Linie gebracht. Warschau ist weniger marktschreierisch, wenn es gegen Brüssel geht, und lebt gut von EU-Geldern, während es konsequent alle Urteile gegen seine Rechtsstaatsversstöße ignoriert. Damit ist Morawiecki bisher gut durchgekommen, innen- wie außenpolitisch.

Janez Janša hingegen regiert mit einer Minderheitsregierung in einem Zwei-Millionen-Land, in dem täglich Hunderte, manchmal Tausende gegen ihn auf die Straße gehen. Er ist ein Verschwörungserzähler mit einer schrumpfenden Basis von maximal 25 Prozent der Wähler. Seine parteinahen Medien lässt er sich zum Teil von Mittelsmännern Orbáns bezahlen. Janša würde gern mitspielen im Konzert der großen, rechtsnationalen Reformer. Gefährlich wird das auf lange Sicht, wenn Ungarn und Polen ein geeintes Europas weiter untergraben und dazu das schrille Ego des Slowenen erfolgreich für ihre eigenen Zwecke nutzen.

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