Erdoğan:Was schert ihn Kashoggi

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Der türkische Präsident reist nach Saudi-Arabien und gibt dazu jede moralische Erwägung auf.

Von Tomas Avenarius

Was gestern Gewissheit war, wird heute in Frage gestellt und ist morgen Makulatur: Außenpolitik ist nicht statisch. Wenn es der Sicherung der Interessen dient, schlagen Staaten manchmal sogar über Nacht die entgegengesetzte Richtung ein. Und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan, bekannt für brüske Kehrtwenden, hat sich ohnehin nie mit moralischen Erwägungen aufgehalten. Er handelt pragmatisch: Gut ist, was ihn an der Macht hält.

Wenn er nun Saudi-Arabien besucht, lässt er als Mitbringsel die Ermittlungen im Mordfall Kashoggi unter den Tisch fallen. Das grausame Schicksal eines saudischen Dissidenten wiegt federleicht gegenüber dem staatlichen Interesse, welches in der Türkei eben das erdoğanische Interesse ist. Siehe oben: Machterhalt.

Der Präsident hat den Nahen Osten aufgemischt, indem er islamistische Oppositionsgruppen munitioniert hat, politisch und militärisch: in Syrien, in Libyen, in Palästina. Es gibt kaum einen Konflikt, in den er sich nicht eingemischt hat als selbsternannter Schutzpatron entrechteter Muslime. Beim Versuch, sein Land und seinen Ruhm zu stärken hat der "Neo-Osmane" und Islamist den Groll der Golf-Machthaber auf sich gezogen, ohne Rücksicht auf die Folgen. Mehr als zehn Jahre nach Beginn des "Arabischen Frühlings" haben sich aber die Gegenrevolutionäre in Kairo, Abu Dhabi und Riad durchgesetzt. Erdoğan hat den Zeitgeist über- und die konservativen Beharrungskräfte unterschätzt, hat sich mit seiner aggressiven Politik auch gegenüber den USA und den Europäern isoliert. Man könnte sagen, er sei politisch gescheitert.

Aber einer wie Erdoğan scheitert nicht. Einer wie er orientiert sich um. Der Türke wird gebraucht, nun im Ukraine-Konflikt. Dank seines Drahts nach Moskau ist er Vermittler. Und die Golf-Herrscher helfen dem verhassten Türken nun dabei, seine Wirtschaft zu stabilisieren: Damit er wieder gewählt werden kann.

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