Corona:Von allem zu viel

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Eltern müssen erneut abfangen, was die Corona-Politik an den Schulen versäumt hat.

Von Verena Mayer

Eltern scherzen ja gerne, wie viele Funktionen sie gleichzeitig haben. Als Servicekraft, Hausaufgabenbetreuerin oder Taxifahrer, alles natürlich Vollzeit und unbezahlt. Während der Pandemie sind weitere Funktionen dazugekommen. Eltern wurden plötzlich Lehrkräfte, Kantinenköchinnen, Hort-Betreuer und Systemadministratoren von Lernplattformen. Und seit Omikron mit vierstelligen Sieben-Tage-Inzidenzen durch die Kitas und Schulen gerauscht ist, sind Eltern nun auch Corona-Testzentren, Gesundheitsämter und Kontakt-Tracer. Denn sie sind es, die in die Schule rasen, wenn wieder ein Kind in der Klasse positiv getestet wurde, die die Quarantäne organisieren, Kontaktpersonen informieren, die Kinder freitesten lassen und sich dafür oft auch noch selbst um die Tests kümmern.

Nur, dass das alles nicht mehr zum Scherzen ist. Denn Eltern tun das, weil die Behörden keine Kapazitäten mehr zum Testen und zur Kontaktverfolgung haben oder schlicht den Überblick verlieren, was an den Schulen los ist. Schon wieder müssen sie abfangen, was in zwei Jahren Pandemie versäumt wurde. Das ist regional unterschiedlich, in manchen Bundesländern läuft der Schulbetrieb noch relativ geregelt, mancherorts gibt es inzwischen auch Strukturen für Online- oder Hybrid-Unterricht. Aber oft ist die Situation fast schon außer Kontrolle, so wie in Berlin.

Da hat gerade die Bildungssenatorin die Präsenzpflicht ausgesetzt. Wer sein Kind nicht zur Schule schicken will, der muss das nicht tun. Das führt nicht nur zu einem Durcheinander, das den mühsam zurückgewonnenen Schulalltag wieder gefährdet, sondern auch dazu, dass sich soziale Ungleichheit weiter verschärft. Diejenigen, die es sich leisten können (oder vor dem Beginn der Winterferien keine Ansteckung riskieren wollen), lassen ihre Kinder zu Hause. Die weniger privilegierten Schülerinnen und Schüler müssen sich dem Infektionsrisiko aussetzen. Vor allem aber wird erneut die Verantwortung auf die Eltern abgewälzt. Denn diese haben jetzt auch noch die Funktion als Entscheider, ob sie lieber die Gesundheit oder die Bildungschancen ihrer Kinder aufs Spiel setzen wollen.

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