Volksabstimmung:Die Chilenen bleiben lieber konservativ

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Zwei von drei Stimmen lauteten: Nein. Eine Wählerin in Santiago de Chile, die nicht verbergen mag, wie sie sich entscheidet. (Foto: Juan Eduardo Lopez/Imago/Aton Chile)

Im Referendum ist der Entwurf einer neuen Verfassung deutlich gescheitert. Großen Teilen des Volkes ging manches darin viel zu weit.

Kommentar von Christoph Gurk

Niemand hatte mit Superman gerechnet. Es war noch früher Morgen, und Chiles Präsident Gabriel Boric hatte gerade seine Stimme bei der Volksabstimmung über eine neue Verfassung abgegeben, die am Sonntag in dem südamerikanischen Land stattfand. Er trat vor die Presse, sagte: "An diesen historischen Moment werden wir uns immer erinnern", und während er sprach, umkreiste ihn ein kleiner Junge im Superman-Kostüm. Dieser Junge, so stellte sich später heraus, war in Begleitung von Borics Mutter gekommen, geplant war sein Auftritt nicht, aber dennoch für manche ein schönes Symbol, schien man doch gerade dabei zu sein, ein neues Chile zu schaffen.

Zwölf Stunden später war es mit dieser Hoffnung vorbei. Die neue Verfassung ist krachend gescheitert, fast zwei Drittel der Chilenen haben gegen sie gestimmt, und man muss sagen: Sie haben gut daran getan.

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Von Christoph Gurk

Ein Artikel wollte ein "Recht auf Müßiggang" gewähren

Ein Jahr lang hatten 154 vom Volk gewählte Vertreter an dem Entwurf gearbeitet. Minderheiten sollten mehr Rechte bekommen, der Umweltschutz sollte gestärkt werden und der Staat sich wieder um die Gesundheit, Bildung und Rente seiner Bürger kümmern.

In den 388 Artikeln stand aber auch vieles, was sehr schwammig war: ein Recht auf Sport, ein Recht auf gesunde Ernährung, sogar ein Recht auf Müßiggang. Andere Punkte wiederum waren höchst umstritten: Artikel 61 wollte festlegen, dass der Staat Abtreibungen ermöglichen muss. Man kann das durchaus richtig und gut finden, in Chile aber, wo bis vor ein paar Jahren Schwangerschaftsabbrüche noch ausnahmslos verboten waren, stieß das in konservativen Kreisen auf erbitterten Widerstand.

Große Teile der chilenischen Gesellschaft konnten sich mit diesem Entwurf nicht identifizieren. Darum ist es gut, dass er abgelehnt wurde - eine Verfassung ist kein Parteiprogramm, sie braucht starken Rückhalt im Volk.

Zum Aufgeben ist das aber noch lange kein Grund. Chiles aktuelle Verfassung stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur. Sie entstand einst unter Druck und Zensur. Allein darum schon braucht es einen neuen Entwurf - nur eben nicht diesen, den das Volk nun verworfen hat.

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