Bosnien-Herzegowina:Der mächtige Deutsche von Sarajevo

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Hat mitten in der Auszählung die Wahlgesetze in Bosnien-Herzegowina geändert: CSU-Politiker und UN-Repräsentant Christian Schmidt. (Foto: Armin Durgut/IMAGO/Pixsell)

Christian Schmidt, Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen, hat das Wahlgesetz in dem Balkan-Land geändert. Er darf das. Aber ist es auch klug?

Von Tobias Zick

Diejenigen, die es gut meinen mit ihm, sagen: Wer von allen Seiten Ärger kriegt, der muss ja etwas richtig machen. Ärger jedenfalls ist Christian Schmidt, 65, gewöhnt. Den jüngsten hat er ausgelöst, indem er am Sonntagabend mehrere Änderungen des Wahlgesetzes von Bosnien-Herzegowina verkündete. Schmidt ist seit August 2021 Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für den Westbalkan-Staat, und als solcher verfügt er über Sondervollmachten: Um dem Dayton-Abkommen, das 1995 den Bosnien-Krieg beendete, Geltung zu verschaffen, kann Schmidt gewählte Politiker entlassen und Gesetze machen. Ein antidemokratischer Anachronismus, sagen manche; ein unverzichtbares Bollwerk gegen Nationalisten und Separatisten, sagen andere.

Die Änderungen am Wahlgesetz sollen dazu beitragen, die bisherige Blockadepolitik ethno-nationalistischer Politiker zu durchbrechen. Unter anderem werden die gewählten Politiker verpflichtet, schneller als bisher eine Regierung zu bilden. Dass solche Reformen grundsätzlich nötig waren, ist unbestreitbar - irritierend selbst für Wohlgesonnene war der Zeitpunkt ihres Erlasses, am Sonntagabend: Während Schmidt die Änderungen bekanntgab, wurden gerade im ganzen Land Stimmen ausgezählt; die Bürgerinnen und Bürger hatten bis zur Schließung der Wahllokale kurz zuvor über die Besetzung zahlreicher Ämter ihres überkomplexen Staatsgebildes abgestimmt.

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Vielen drängte sich der Eindruck auf: Da demonstriert jemand auf autoritäre Weise sein Misstrauen in die politische Willensbildung der Menschen im Land. Auch die EU-Vertretung in Sarajevo distanzierte sich von Schmidts Entscheidung. Lob dagegen kam von der dortigen US-Botschaft: Der Schritt sei "dringend und notwendig" gewesen. Auch der Botschafter Großbritanniens sprach Schmidt seine Unterstützung aus.

Darin zeigt sich der Druck, unter dem die internationale Gemeinschaft steht: Der russische Überfall auf die Ukraine hat in den westlichen Ländern einen neuen Schub im Engagement für den südosteuropäischen Nachkriegsstaat Bosnien-Herzegowina ausgelöst - nachdem man jahrelang das Feld Akteuren wie dem moskautreuen bosnisch-serbischen Separatisten Milorad Dodik überlassen hatte. Der wurde am Sonntag übrigens wieder zum Präsidenten der serbischen Teilrepublik, der Republika Srpska, gewählt. Dodik gehört seit Langem zu denen, die am lautesten die Abschaffung des Hohen Repräsentanten fordern.

Fünf Jahre ist es her, da begab sich Christian Schmidt auf ähnliche Weise ins öffentliche Kreuzfeuer: Damals war er, Mittelfranke und CSU-Politiker, noch Landwirtschaftsminister im Kabinett Merkel. Der Jurist, dessen detail- und verästelungsreiche Ausführungen nach Aussage mancher Gesprächspartner eher pulssenkende Wirkung entfalten können, trat plötzlich eine Welle des Zorns los, als er in Brüssel der Neuzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat zustimmen ließ - obwohl die Umweltministerin vom Koalitionspartner SPD ihr Veto eingelegt hatte. Während viele Umweltschützer Schmidt ein Einknicken vor der Chemielobby vorwarfen, argumentierten Verteidiger, die Entscheidung sei sogar hilfreich beim schrittweisen Umbau hin zu einer umweltverträglicheren Landwirtschaft: Man verhindere damit, dass womöglich noch giftigere Substanzen als Glyphosat massenweise zum Einsatz kämen. Schmidt selber kommentierte sein Vorgehen später eher lakonisch mit den Worten: "So isser, der Schmidt."

Sein umstrittenes Timing beim bosnisch-herzegowinischen Wahlgesetz erklärte er an diesem Dienstag auf SZ-Nachfrage so: "Der Respekt vor dem Wählerwillen gebietet es, so eine Entscheidung weder vor der Wahl noch vor Bekanntwerden erster Ergebnisse zu treffen. Gleichzeitig musste die Entscheidung jetzt getroffen werden, um die Blockade in den Institutionen aufzubrechen."

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